Von Krisen und normalem Wahnsinn
KLEINES THEATER / BRENNESSELN
08/07/10 Wer glaubt, das österreichische Politkabarett sei seit geraumer Zeit tot, den belehren die „Brennesseln“ immer wieder eines Besseren, seit nunmehr 28 Jahren. So auch mit ihrem jüngsten Programm „Störe meine Krise nicht“.
Von Horst Reischenböck
Das „Brennesseln“-Gastspiel zu Saisonschluss im Kleinen Theater ist schon eine schöne Tradition, und so fand trotz der großen Konkurrenz der parallel laufenden FIFA-WM der erste Abend am Mittwoch (7. 7.) ein begeistertes Auditorium.
Wieder einmal schlug Alfred Aigelsreiter - er ist hauptsächlich für die Texte verantwortlich - erbarmungslos zu, und er trifft punktgenau auch das Zwerchfell.
Es fehlt nicht an Angriffsflächen, vor allem einmal, was die derzeitige „Kuschelkoalition“ betrifft. Heißt also, dass sowohl Kanzler wie Stellvertreter das ihnen zustehende Fett abbekommen. Warum gibt es eigentlich nur mehr Sprecher und keine Denker mehr?
Aber auch andere Mitglieder der Regierung, und auch ehemalige wie KHG, sind im Visier. So beispielsweise Maria Fekter, taxfrei zur „Lady Gaga“ des Innenministeriums erklärt. Übrigens: wenn Postbeamter zur Polizei versetzt werden, warum dann nicht umgekehrt auch Polizisten? Also quasi von der „Soko Ost“ zur „Soko Post“. Die Steigerungsform wäre dann logischerweise „Soko Prost“ … Das traurige „Hinterbänklertum“ so mancher Abgeordneter ist logischerweise auch nicht auszuklammern.
Aigelsreiters virtuos von ihm, aber auch seitens Paul Peschkas dargeboten akrobatische Wortspielereien verblüffen immer wieder und stellen an den Intellekt der ihm willig folgenden Zuhörer nicht geringe Anforderungen. Paradebeispiel die lokale Einstellung des „Mir san mir“! Ein grandioses Solo liefert Peschka auch in einer "Orchesterprobe" des Parlaments ab, ehe ihm, dem „Dirigenten“, zwei Psychiatriewärter das Ende seines Freigange bedeuteten. Die Musik steuert wie immer Peter Siderits bei, der auch an der Gitarre begleitet.
Die Vorteile des Kapitalismus subsumiert die Umdeutung „Völker, leert die Regale“ zur Musik der Internationale. Wie in Zukunft als „Geronten-Safari“ mit der Überalterung innerhalb der Bevölkerung umzugehen sei, debattieren drei Jäger. Zu winterlichen Zeiten käme etwa dem Wort „Schussfahrt“ dann eine ganz neue Bedeutung zu!
Lugners medialer Geltungswahnsinn wird genauso auf die Schippe genommen wie der grassierende Kochbücherwahn: „In den Teller gespuckt“. Und dann noch Papst Benedikt („Das letzte Abendmahl“) oder der 3. Nationalratspräsident („Mein Dampf“) - nach der Pause zielte man mehr auf das Feindbild in rechter Richtung, perfekt pointiert durch Robert Herret in seiner Ansprache „Da bin ich ganz bei Ihnen“.
Es lohnt sich wieder einmal!