„Ich war so ein Negerkind“
KAMMERSPIELE / MINA
15/11/19 „Kein Elternhaus, sondern ein negatives soziales Modell, für das ich mich schämte.“ So beschreibt Mina ihre Jugenderfahrung in einem Zuhause, vor dem sie baldmöglichst davongelaufen ist – sie, die ob ihres iranischen Erzeugers mit ihren schwarzen Haaren eben anders aussah als ihre blonde bayerische Mutter.
Von Reinhard Kriechbaum
Jetzt trifft sie, „nach 14 Jahren, sieben Monaten und zehn Tagen“, wieder auf die Mutter. Menschen und Gefühle werden gesichtet, Emotionen ausgelebt und eingeordnet. In Berlin, wo die junge Frau sich lange aufgehalten hat, reichte eine superblonde Perücke und eine sehr durchsichtige Bluse, um dazu zu gehören. Dort ist „fremd sein schick und ich bin total schick“, sagt sie – und pfiffe doch auf allen Schick, käme sie zurecht mit der eigenen Familiengeschichte zwischen Orient und Occident.
Sara Abbasi, Dramaturgin, Regisseurin und jetzt auch Stückeschreiberin, hat selbst eine solche bikulturelle Herkunft. Angeblich ist auch Autobiographisches, jedenfalls eigene Erfahrung eingeflossen in das Stück Mina, das am Donnerstag (14.11.) in den Kammerspielen des Salzburger Landestheater zur Uraufführung kam. Ein mit 50 Minuten Spieldauer knapper, dichter, in der Inszenierung der Autorin knackig erzählter Theatertext mit feinen Optionen für die beiden Schauspielerinnen (ein Mann ist nur kurz Stichwortbringer).
Sabrina Amali ist Mina, eine hyper-temperamentvolle junge Frau, der man sofort abnimmt, dass hinter aller Schminke und dem selbstbewussten Auftreten viel Nachdenklichkeit, auch Verunsicherung steckt. Wie soll man wissen, wo man steht und wohin die Lebensreise führen könnte, wenn das „Woher komme ich?“ eher an orientalisches Fabulieren gemahnt? Die Vorurteile ob ihres fremdländischen Aussehens hat Mina jedenfalls erlebt, auch die Indifferenziertheit das Urteils anderer: „Ich war so ein Negerkind!“
Britta Bayer ist die Mutter, die sich bei weitem als nicht so biedere Frau herausstellt, als die sie sich in den ersten Szenen einführt. Viel darf man nicht verraten vom Gang der Dinge in diesem Stück. Es geht jedenfalls nicht um Integration, ums Dazugehören oder Nicht-Dazugehören, ums Fremdsein oder Sich-fremd-Fühlen. Viel mehr spitzt sich der Mutter-Tochter-Konflikt (der eher eine Annäherung ist) zu auf die Frage, wie viel Wahrheit einem heranwachsenden Menschen zugemutet werden kann, darf, muss.
Die Gefühle der beiden Protagonistinnen sind jedenfalls vielfach eingeengt, und das unterstreicht das Bühnenbild von Sarah Sassen: ein sich trichterförmig steil verengender Guckkasten. Nur auf allen Vieren kriechend kommt man durch die ganz schmale Öffnung hinten. So, als ob man alles hinter sich lassen muss, um endlich aufrecht einander gegenüber stehen zu können...