Taschenfeitl und Gossengöre
LANDESTHEATER / PAPIER.WAREN.POSPISCHIL
23/03/19 Das Quantum chaotischer Unberechenbarkeit und überraschenden Irrsinns lässt die Farce spritzig zum Parforce-Ritt ausarten. Die Krimi-Komödie von Theodora Bauer ist zurecht der Gewinner des Komödienwettbewerbes des Landestheaters. Premiere war am Freitag (22.3.) in den Kammerspielen. Regie führt mit weana Schmäh Claus Tröger.
Von Erhard Petzel
Theodora Bauer kann Konventionen geschickt instrumentalisieren. Gleich zu Beginn schafft André Hellers „Wean, du bist a Taschenfeitl“ Lokalkolorit. Das Lied trennt auch die Szenen und unvermittelten Auftritte der ansonsten akribisch gewahrten Einheit von Ort, Zeit und Handlung: Regie führt mit weana Schmäh Claus Tröger. Mit einem Quantum chaotischer Unberechenbarkeit und überraschenden Irrsinns lässt er die Farce Papier.Waren-Pospischil spritzig zum Parforce-Ritt ausarten, wie ihn die Inhaltszusammenfassung allein nicht wiedergeben kann: Eine Geschäftsfrau erhält einen Papierwarenladen durch Dealen von Drogen an eine hochbetagte Klientel in generationsübergreifender Tradition. Wegen mehrerer Todesfällen will die Geschäftsfrau aussteigen, wobei sie die Ermordung ihres zwielichtigen Zulieferers verursacht. Die weaner Gossengöre Melli (herrlich ordinär Nikola Rudle) als ziemlich nutzlose Angestellte ist der Fokus, um den herum Aufdecken der Hintergründe erfolgt und die Handlung vorwärts getrieben wird.
Frau Pospischil (Britta Bayer) klärt die Neugierige auf, da sie selbst sich nach dem Tod dreier pensionierter Kundinnen aus dem Geschäft nehmen will und eventuell eine Nachfolgerin wittert. Zur Flucht vor dem Gangster Adalbert Navratil kommt es nicht mehr, da der junge Nikolaus (Hanno Waldner) in seiner südösterreichischen Skurrilität als Gast im gelben Kükenkostüm die Partie aufhält. Er will zunächst Papier um – Werther zitierend – seinem Selbstmord die gebührende literarische Note zu verleihen. Dann richtet er mit seiner Pistole mittleres Chaos an. Statt sich selbst wird er den plötzlich anwesenden Navratil (Sascha Oskar Weis) erschießen. Der korrupte Polizist Heinrich (Walter Sachers) erpresst die Pospischil zu einem Schäferstündchen, um den Polizeibericht entlastend zu tunen.
Soweit so nicht unbedingt unkonventionell. Klassiker werden zitiert, romantische Ironie umgesetzt, die Figuren wie aus der Commedia De’ll Arte in moderne Stereotype übertragen. Und das funktioniert sehr gut, sodass der Publikumspreis für den Komödien-Wettbewerb des Landestheaters 2017 nur folgerichtig erscheint. Das Team spielt stimmig die Krimikomödie kompromisslos als solche und im entsprechend flotten Tempo ohne künstlich zu outrieren oder abgeschmackt aus dem Rahmen zu fallen.
Gelungen und funktionell dazu Bühnenbild und Kostüme von Katja Schindowski. Der Himmel ist behängt mit 2 Bücherwolken, 3 Stapel im Vordergrund, 3 Keramikkatzen auf Säulen im Hintergrund, nochmals dahinter blaue Neonröhren mit spiegelverkehrtem Lokalschriftzug. 2 weiße Türen, 1 weißer, fahrbarer Glasschrank, das ist es. Die Klangereignisse wie Klingeln und Schießen werden meist lapidar gesprochen. Der Abend lebt vom frischen Spielgeist im Arrangement von Regisseur Claus Tröger und den Erwartungsfallen, die Bauer ihrem Publikum ausgelegt hat.
Die 1990 geborene Autorin hat vor diesem Stück mit den Romanen Das Fell der Tante Meri und Chikago Aufmerksamkeit erregt. Wenn sie sich zum Schlussapplaus auf die Bühne begibt, bedauert man, dass dieser bunte Vogel nicht selbst aktiv in die schauspielerische Szenerie integriert war, was aufgrund ihrer regen Lesungstätigkeit durchaus denkbar wäre. Jedenfalls darf man sich auf ihr weiteres Wirken freuen und den höchst vergnüglichen Abend in bester Erinnerung behalten.
Papier.Waren-Pospischil – die nächste Aufführung ist am Sonntag (24.3.) - drei weitere Aufführungen in den Kammerspielen - www.salzburger-landestheater.at
Bilder: LT / Tobias Witzgall