Geld, das Gottheit macht
SCHAUSPIELHAUS / JEDERMANN STIRBT
31/03/19 „Der Tanzboden ist seltsam weich, auf dem wir unsre Kreise ziehn“, sagt der Tod, den Ferdinand Schmalz in seiner Paraphrase jedermann stirbt in Personalunion mit der Buhlschaft setzt. Eine eindrückliche Aufführung im Schauspielhaus Salzburg, inszeniert von Rudolf Frey.
Von Reinhard Kriechbaum
Dort, wo sonst Stuhlreihen ansteigen, ist ein Catewalk aufgebaut, bespannt mit grünem Flauschteppich. Das Publikum sitzt in drei Reihen rundum. Auf eben jenem „seltsam weichen“ Tanzboden geht Jedermann seinem Ende entgegen: im Maßanzug und mit jenem antrainierten selbstbewusst-kantigen Gesichtsausdruck, wie er einem Finanzhai wohl ansteht. Im Schauspielhaus Salzburg ist Theo Helm dieser Geschäftsmann, den die nach unten rasselnden Börsenkurse – scheinbar jedenfalls – wenig anrühren. Hat er doch seinen Lustgarten, wohl bewacht von der Security, „... weil so ein Zaun erst einen Garten macht ...“.
„Drinnen herrscht die Kultur“, na ja. Jedenfalls ist da drin die „(teuflisch) gute Gesellschaft“, in der sich die vertraute Personage des Jedermann angesammelt hat. In Ferdinand Schmalz' Paraphrase bildet sie einen gar hinterfotzigen Chor, der den Teufel in seiner Vielgestaltigkeit repräsentiert: Dicker und Dünner Vetter, Mutter, Mammon/Gute Werke (als Doppelrolle) – sie alle sind Jedermanns Gefolgsleute, die dem Erfolgreichen nach dem Mund reden, ihm schön tun und in so verstärken in seiner Echokammer. Ihnen fehlt es wie Jedermann an jedem Glauben außer an jenem an das Geld. Denn: „Geld ist das einzige auf der Welt, was Gottheit macht.“
Gegen eine solche Teufelscrew hat Gott als sanfter Einzelkämpfer kein Leiberl. Bülent Ozdil trägt ein Kleid und Frauenschuhe. Auch als Armer Nachbar versucht dieser Softie-Gott Jedermann anzurühren. Hoffnungslos. Mittendrin im Stück muss Jedermann erkennen, dass die Buhlschaft (Kristina Kahlert) der Tod selbst ist und dass ihm da übel mitgespielt wird. Mammon Marcus Marotte stakst auch als Charity-Lady (als die Guten Werke) daher. „Lass Du mit Deiner Esoterik mich in Frieden“, muss sich Jedermanns Mutter (Ute Hamm) zurechtweisen lassen. Jedermann à la Ferdinand Schmalz ist übrigens verheiratet (Susanne Wende ist Jedermanns Frau), aber diese Ehe ist „etwas verwildert“, erklärt er der Buhlschaft.
Mit Respekt hat Ferdinand Schmalz sich dem Text Hofmannsthals genähert. Wortspielereien sind des Autors Markenzeichen, aber er hat sich in jedermann stirbt deutlich zurück genommen. Paraphrasen auf Hofmannsthal'sche Formulierungen und heutige Alltagssprache kontrastieren und ergeben doch stilistisch fast zwanglos ein Ganzes. Entsprechend unprätentiös hat nun Rudolf Frey im Schauspielhaus Salzburg das vor gut einem Jahr im Burgtheater uraufgeführte Stück realisiert, mit dem Ensemble auch sehr ernsthaft gearbeitet. Eine sehenswerte Aufführung, der freilich der Rotstift gegen Ende nicht geschadet hätte: Da wird die Ars Moriendi des heutigen Homo oeconomicus gar ausgiebig durchdekliniert. Aber was wäre ein Jedermann ohne Belehrung?