Alles, nur nicht Menschenversteher sein!
KABARETT / MOTZART / GUNKL
30/01/18 Das Fach „Gunkl“ ist angeblich noch immer nicht eingeführt in den philosophischen Kanon der Universitäten. Die Fans des Kabarettisten halten das sowieso und mit guten Gründen schon lange für einen großen Fehler.
Von Reinhard Kriechbaum
„Die erste Pflichtveranstaltung des Semesters“ befand der „Standard“ nach der Premiere des neuen, zwölften Kabarett-, pardon: Vorlesungsprogramms von Gunkl, alias Günther Paal. Und er stellte eine hübsche Rechnung an: „Wenn man zu einem H. C. Artmann einen Konrad Paul Liessmann addiert und das Ganze durch einen halben Alfred Dorfer dividiert“, dann eben komme „mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit ein Gunkl heraus.“
Damit ist also eine praxistaugliche philosophische Maßeinheit geschaffen. Ein Gunkl als Urmeter der Philosophie. Man könnte diesen Messstab anlegen an den eigenen Verstand, für dessen Gebrauch Alfred Dorfer vor wenigen Tagen zur Eröffnung des MotzArt Kabarettfestivals in der ARGEkultur sehr entschieden plädierte.
In Zehntel- und Milli-Unterteilung käme der „Gunkl“ auch infrage bei der Ausmessung von Menschenbeziehungs-Versuchsreihen, wie sie Gunther Paal in „Zwischen Ist und Soll – Menschsein halt“ durchspielt. So heißt das Programm, das er am Montag (29.1.) in der ARGEkultur als Salzburg-Premiere offerierte.
Für „Nüchternheit als Ersatzdroge“ hat Gunkl sich entschieden, freilich mit der raschen Erkenntnis, dass „Durchblicken kein Ersatz für einen Rausch“ sein kann. Die Sache hat also, da macht Gunkl uns von Anfang an nichts vor, etwas durch und durch Ernüchterndes. Er, der bei sich selbst „Autismus light“ diagnostiziert, wird schwerlich als Musterbeispiel für Empathie taugen: „Bloß nicht andere verstehen, indem man sich in sie hineinversetzt!“ Besser den anderen „kühl und emotionsbereinigt betrachten“. Und außerdem: „Wer Fragen stellt, muss mit der Antwort leben können.“
Gunkls An- und Einsichten springen einen oft nicht mit jener Wucht an, die sie eigentlich beanspruchten. Gunther Paal baut seine Human-Soziopathie ja auf bewährte Weise zu verschwurbelten Satz-Monstern und Argumentations-Ungetümen zusammen, die das Publikum nicht wenig herausfordern.
Umso klarer treten dann immer die Pointen hervor, die so herzerfrischend über den Menschenversteher-Mainstream schrammen. Da ist der Lack schnell ab, und es ist nicht mehr Kabarett, sondern tiefste Einsicht, wenn Gunkl doziert: „Es ist ein Blödsinn, nur darüber zu reden, was wir gemeinsam haben. Wir müssen darüber reden, was uns trennt.“
Deshalb also – noch im Frieden! – über dieses Trennende reden. „Da wird’s mühsam“ weiß Gunkl. Und da gibt’s auch nichts mehr zu Lachen.
Aus surrealistischen Szenerien, die sich Karl Valentin hätte ausdenken können, startet Gunkl in philosophische Höhenflüge und endet in zielgenauen Bruchlandungen. Er, der große Menschenerklärer, schickt sein Publikum in die Pause mit dem Hinweis, dass man die Menschheit nicht gut in vierzig Minuten aufschlüsseln könne. Aber: „Wollte man Mensch sein in einer Welt, die man in vierzig Minuten erklären kann?“