Staubsauger oder Kalaschnikow?
KLEINES THEATER / TÖCHTER DES JIHAD
13/03/17 „Manchmal vergisst man fast, dass man im Jahr 2000 lebt. Man fühlt sich wie in einem Kapitel des Alten Testaments.“ Das hat keine Touristin auf eine Ansichtskarte geschrieben. Ein Mädchen, das in die Fänge der IS geraten und dorthin übersiedelt ist, hat den Satz ins Netz gestellt.
Von Reinhard Kriechbaum
„Töchter des Jihad“ am Freitag (10.3.) im Kleinen Theater. Drei junge Leute auf der Bühne, mit Bruchstücken von Teppichmustern als Dekoration, eine dieser Flächen dient auch als Projektionsfläche für Kriegs- und Terrorhandlungen. Staubsauger dienen auch als Symbol für die Kalaschnikow. Die beiden Frauen und der Mann schlüpfen in unterschiedlichste Rollen, denn was da passiert, dieser Aufbruch eines Blutjungen, wird von unterschiedlichsten Seiten wie in Spots durchleuchtet.
„Mutiger Löwe mit Kampferfahrung sucht rehäugige Schönheit, rein und unberührt, für ein gottesfürchtiges Leben im Kalifat.“ Ein solcher Spruch auf dem angeblich erfolgversprechenden Online-Hochzeitsmarkt scheint einen Nerv zu treffen: „Sie wissen, wie die Mädels ticken.“
Der sogenannte „Sex-Jihad“, eine Kurzehe im Kampfeinsatz, gilt als gute Tat und kann nach radikaler Auslegung des Islam, auf das Konto auf dem Weg ins Paradies positiv verbucht werden. Schwer vorstellbar, dass eine aufgeklärte junge Europäerin so etwas für bare Münze nimmt. Es funktioniert wohl nur im bedrohlichen Nirwana aus pubertärer Identitätssuche und dem Faszinosum von Chats im Netz, in einer fatalen Mixtur aus Unkenntnis eigener Werte und der Unfähigkeit, mediale Aussagen zu werten. Schlicht und einfach Trotz mag nicht unwesentlich hinein spielen. „Manche Mädchen werden magersüchtig, andere konvertieren zum Islam“, heißt es einmal, ein andermal: „Burka ist der neue Punk.“
Das Bedrückende an „Töchter des Jihad“, einer überregional wahrgenommene Jugendtheaterproduktion eines freien Ensembles (Dieheroldfliri) in Zusammenarbeit mit dem Wiener KosmosTheater und dem Theater Reutlingen Die Tonne: Dieser Text ist nicht erfunden,sondern nur abgeschrieben, zusammen gepuzzelt aus Internet-Foren, Chats und Blogs. Unglaublich, was für Schmonzes auf Youtube kursiert. Auf der Leinwand werden die Quellen immer wieder eingeblendet. Lachen müsste man über die kruden Gedanken, wenn einem dieses Lachen eben nicht im Hals stecken bliebe.
Das tendenzielle Schmunzeln ist ein Wesenszeichen dieser Produktion (Regie: Barbara Herold) und eine Hilfe, dieses dokumentarische Aussagen-Konglomerat (inklusive journalistischer Texte, Videobotschaften der IS-Propaganda, Erläuterungen zur islamischen Religion) auf nur 90 Minuten aufzubereiten. Man lernt auch viele Fachausdrücke, durchaus pfiffiges Zielgruppentheater also.
Als Erwachsener tut man sich schwer, die Wirkung auf die jugendlichen Adressaten zu beurteilen. Im Kleinen Theater (extrem schüttere Publikumskulisse) waren zwei Gruppen (Mädchen, Burschen) mit migrantischem Hintergrund, die sich offenkundig angesprochen fühlten. Eher sind die Zielgruppe von „Töchter des Dschihad“ freilich „ungläubigen“ Mädchen, die alles glauben. Und ihre Eltern, die nichts glauben.