Das große Pflügen im Metaphern-Acker
ARGEkultur / LUPUS IN FABULA
28/02/17 Der Wolf in der (Tier-)Geschichte? Das lateinische Wort „fabula“ kann auch Unterhaltung im Sinn von Konversation bedeuten, also: Der Wolf, von dem die Rede ist. Dieser Wolf liegt in den letzten Zügen...
Von Reinhard Kriechbaum
Das Miteinander-Reden haben sie wohl nicht erfunden, die drei Schwestern, die da ziemlich ausweglos in einem Raum zusammen kommen: an der Bahre des sterbenden Vaters. Was erfahren wir eigentlich in den kommenden siebzig Minuten über ihn? Herzlich wenig, er muss ein Mann ohne besonders prägnante Eigenschaften gewesen sein. Vielleicht waren die drei Töchter auch immer nur zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um über ihn nachzudenken. Keine Skandale werden angesprochen, keine patriarchale Gewalt benannt. Dass es immer die Ostsee und gerade einmal die Nordsee wurde im Familienurlaub – das muss man dem alten Herrn freilich vorwerfen.
Umso ausführlicher ventilieren die Frauen ihre drei Leben. Sie tun das in Monologen, die einander eher stören, im besseren Fall durchdringen und nur ausnahmsweise in Ansätze zu Gesprächen münden. So ist das wohl heute, in der Zeit der Ich-AGs. Eher sind es Ich-GesmbHs, aber wenn der Altvordere geht, muss man schon einen Teil der Haftung für sich selbst übernehmen.
So weit die Familienaufstellung bei Henriette Dushe, die es mit „Lupus in fabula“ beim Heidelberger Stückemarkt zum Autorenpreis gebracht hat. Die drei Frauen an ein Krankenbett zu stellen, wäre banal. Petra Schönwald, Regisseurin der Salzburger Aufführung in der ARGEkultur, geht es symbolhaft erdig an. Eine dicke Schicht brauner Humus bedeckt die Spielfläche im Studio, die drei Schwestern tragen hohe Stiefel und wühlen sich mit Totaleinsatz durch die Erde: eine Metaphern-Ackerei, dass einem angst und bang wird.
Was fördern die drei zutage? „Die Älteste“ (Elisabeth Nelhiebel), die schon an der Grabrede für den gerade noch nicht Verstorbenen bastelt, hat den Vater gepflegt. Ihr Karma-Pegel dürfte deutlich höher sein als jener der „Mittleren“ (Sophie Hichert), die ein Kind zur Welt gebracht hat und sich jetzt in irgendwelche natur-pseudophilosophischen Spintisierereien hinein tiriliert. Die Jüngste (Eva-Maria Weingärtler) ist mit sich und der Welt und der Frage, wie beide sich auf einen Nenner bringen ließen, hinlänglich beschäftigt.
Die Charaktere hat Petra Schönwald gut herausgearbeitet, und die drei Schauspielerinnen transportieren diese jeweils ohne Marktschreierei, auch mit sprachlicher Disziplin. Das sichert dem Zeitgeist-Stück eine solide, über manche Strecken gar sympathische Form. Die unbedingte Bereitschaft zum Frauen-Verstehen wird vom Publikum unbedingt eingefordert.