Eisbären mit Sonnenstich
OFF THEATER / MR PILKS IRRENHAUS
20/02/17 Wenn ein Irrenhaus ein Haus ist, in das man geht, um darin irre zu werden, dann ist das neu öffnete OFF Theater ein Irrenhaus. Zumindest, so lange die Eröffnungs-Produktion „Mr. Pilks Irrenhaus“ auf dem Spielplan steht. Ein keineswegs fäkalien-armer Reigen zwischen Tiger Lilies und Monty Python. Da und dort getupft mit Shakespear'scher Poesie.
Von Heidemarie Klabacher
Mit Mister Pilk persönlich ist soweit ganz gut Kirschen essen. Auch ist er harmlos, solange man seine Kurz- und Kürzest-Dramen nicht „Sketch“ nennt. „Es sind Stücke. Dramen. Dramolette.“ Das klärt Mr. Pilk gleich zu Beginn, um sich via Tonband immer wieder in die Aufführung einzumischen. Es scheint da urheberrechtliche Fragen zu geben: Hat der irische Autor Ken Campbell „Mr. Pilks Irrenhaus“ selber, nach Mister Pilks Ideen oder gar auf dessen Diktat geschrieben?
Das Verhältnis zwischen Figur und Autor ist jedenfalls gespannt, das dramaturgische Setting dem entsprechend subtil. Wie auch einzelne – ähm – Minidramen: Erkenntnistheoretische, wahrnehmungs-psychologische, ja theologische Fragen drängen sich auf, wenn die Wirklichkeit zu schwanken, ein russisch-stämmiger Kellner aus hygienischen Gründen die „Johnny Schnur“ zu benützen und ein Revolverheld die Herrschaft im Wohnzimmer zu übernehmen beginnt.
Weniger philosophisch als verdauungsmäßig grundiert ist dagegen eine Schmetterlings-Jagd auf dem Londoner Piccadilly Circus, in die ein Stadt-Sch... zwei Polizisten verstrickt. Ähnliches ist mit bzw. in einer Suppenschüssel passiert: Mister Pilk erinnert aus dem Off immer wieder daran, dass er es war, der in selbige gesch... hat.
Trotzdem aller Deftigkeit hat das Ensemble der Theater Offensive zur Eröffnung ihrer neuen Heimstatt eine sehr feine und vor allem unwiderstehlich komische Theaterarbeit vorgelegt. Das Stück spielt ohnehin mit allem was Theologinnen, Erkenntnistheoretiker und Gouvernanten verboten haben. Und psychische „Gesundheit“, wache Sinne, Kritikfähigkeit oder gar klares Denken (brrr), waren noch nie Kriterien für Genuss. Aber dazu übertreiben Anja Clementi, Prinzipal Alex Linse, Max Pfnür und Jonas Zacharias (dieser mit Ringellocken am Schlagzeug) auch noch derart schamlos in Gestik, Mimik, Artikulation und Getöse - und nur auf Armlänge von ihrem verschämt kichernden Publikum entfernt - dass es fast schon wieder subtil ist. Welche Leiden, welche Tiefe: Wer hat das Eigenheim nun tatsächlich kopiert und warum? Wie war das mit den Kamikaze-Kuckucks? Und vor allem: „Was ist Wirklichkeit in diesem Spiegelkabinett?“