Das Djo-djo-i-ri der Adamskinder
ARGEkultur / SALZBURG TRÄUMT
07/02/17 Eine kulturübergreifende Konstante: Die Aufforderung „Sing ein typisches Lied aus Deinem Land“ bringt Jugendliche aus aller Welt zum Schweigen. Dann summen und singen die Salzburger halt den Andachtsjodler und alsbald summen und singen die Burschen aus Afghanistan, Syrien oder Somalia mit. Doch dann eine Frage: „Was heißt denn dieses Djo-djo-i-ri?“
Von Heidemarie Klabacher
„Ich bin der Vater von zwei Krokodilen. Ich habe sie an der Salzach verloren, sie sind auf der Flucht. Bitte helfen Sie mir, sie wiederzufinden.“ „Meine Urgroßmutter war die beste Freundin von Astrid Lindgren.“
Schülerinnen und Schüler des Musischen Gymnasiums und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge haben gemeinsam das Stück „Salzburg träumt – Fantasien einer gelingenden Integration“ erarbeitet, heißt es in der Ankündigung:. Gemeinsam habe man sich die Frage gestellt: Was wäre, wenn Salzburg die flüchtlingsfreundlichste Stadt Österreichs wäre?
Die Antwort wird dieser Tage im Studio der ARGEkultur präsentiert und ist – dem abschreckend langweiligen Titel zum Trotz – eine ganz wunderbare, humorvolle und bewegende Theaterüberraschung. Das begann schon mit dem Videovorspann. Da saßen also die beiden Regisseurinnen Bernadette Heidegger und Marion Hackl und „hatten ein Flüchtlingsprojekt und keine Flüchtlinge“. Dann standen auf einmal dreißig da, von denen aber zwanzig zum Glück nicht wieder aufgetaucht sind. „Damit hatten wir die Teilnehmerzahl, mit der wir gerechnet haben.“ Soviel Selbstironie ist wohltuend.
„Salzburg träumt?“ Geht's noch? Liebe junge Leute aus aller Welt – bitte tauft euer wunderbares Stück doch einfach um! „Die Salzach-Krokodile“ oder „Das Djo djoi ri der Adamskinder“ vielleicht?
Entstanden ist in den drei Monaten gemeinsamer Arbeit zwischen Sprachen und Kulturen jedenfalls kein herkömmliches Theaterstück, schon gar kein banales tagesaktuelles Betroffenheitstheater, sondern eine poetische Kollage. Darin leuchten immer wieder wieder Witz und Ironie auf, ohne die Schicksale der Burschen leichtfertig leicht zu nehmen. Warum keine Mädchen aus Syrien oder Afghanistan dabei sind, erfuhr man übrigens im Videovorspann von einem der Burschen: „Die Frauen sind in einer Gesellschaft geboren und aufgewachsen, wo sie nichts machen durften. Sie reden nicht mit uns Männern, wenn sie uns nicht kennen...“ Was einem der Salzburger Mädchen an dem Projekt besonders gut gefallen hat: „Wir arbeiten MIT ihnen und nicht FÜR sie.“
Lebende Bilder – zunächst nach Herkommen, Hautfarbe der Geschlecht strikt getrennt – eröffneten den Abend. Selbstbeschreibungen teils überaus phantastischer Natur brachten Witz und Ironie ins Spiel, bis einer „der Unsrigen“ verkündete, ein Fan von Donald Trump zu sein. Da hörte der Spass denn doch auf, während besagter Vater zweier Krokodile nur der Übertreibung geziehen wurde. Ein anderer betonte, 25 Jahre alt und seit sechs Jahren mit zwei Frauen verheiratet zu sein: „In Afghanistan ist das legal.“ Polygamie oder Polyamourie (zwei Freundinnen, zwei Freunde) beschäftigt die Jugendlichen aller Nationen sehr – aber auch dieses Thema kam mit Humor und Leichtigkeit aufs Tablett.
Dass das Ganze einen geradezu tödlich ernsten Hintergrund hat, wurde greifbar mit dem Spiel „Als ich fünf/zehn/fünfzehn Jahre alt war“: Da sind wir in die Toilette geflüchtet bei Bomben. Da habe ich mit meinem Vater Teppiche geknüpft. Da war ich noch gut in der Schule. Da bin ich zum erstem Mal Auto gefahren...
Musik, Gesang und Tanz spielen in der Koproduktion der ARGEkultur mit „Bauern helfen Bauern“ eine zentrale Rolle. Bei der „Gesinnungsprüfung“ sind alle durchgefallen. Kleiner Unterschied: Die Salzburger durften trotzdem bleiben. „Sollen wir unser Stück jetzt allein machen, oder was...“
Welche Sprache es auch immer gewesen sein mag, in der der Bursche den Originaltext gelesen hat – es war der bewegende Höhepunkt. Die von einem Salzburger Mädchen ebenso bewegend gelesene Übersetzung hat gelautet: „Die Adamskinder sind miteinander verbunden. Wenn du sorglos mit ihren Belangen umgeht, darfst du dich nicht als Mensch bezeichnen.“