Gemeinsam gescheiter scheitern
ARGEkultur / KOMM, SÜSSER ERFOLG
13/01/17 Selbstoptimierung ist angesagt! Also nichts wie rein in die ARGEkultur, wo das Theater der Freien Elemente mit „Komm, süßer Erfolg“ zu einer Beratungsrunde für Unzufriedene lädt, die zumindest finanziell aus jedem das Letzte herausholt.
Von Christoph Pichler
Es ist ein illustrer Haufen, der den Lockrufen der dubiosen Firma „Impact“ gefolgt ist, um der eigenen Erfolglosigkeit auf den Grund zu gehen und endlich den Weg nach oben einzuschlagen. Da wäre zuvorderst die polyglotte Sängerin Gloria (Rósa Kristín Baldursdóttir), die die Sitzung mit Sirenengesang eröffnet. Stets in die falschen Männer verliebt und von den Falschen geliebt, hält sie selbst hier Ausschau nach dem möglicherweise endlich Richtigen. Die Auswahl ist nicht gerade berauschend: Walter (Josef Geigl) ist zwar studierter Architekt. Seines großes Lieblingsprojekt, ein gigantischer Wohnturm, hat aber selbst bei der Präsentation Probleme mit der Standfestigkeit und erregt als phallischer Pisa-Versager mehr Mitleid als Begeisterung.
Mit unendlich viel mehr Selbstbewusstsein als der verschüchterte Diplomingenieur ist Ernest (Jurij Diez) gesegnet. Eigentlich kann er ja alles, ist auf der Bühne ein wahres Genie und schüttelt die großen Charakterrollen nur so aus dem Ärmel. Von allen (und vor allem sich selbst) bewundert und gefeiert, bereiten ihm nur die Theaterkollegen Probleme, denn für seine Regisseure und Ensemblekollegen ist er schlichtweg zu gut.
Zu gut für ihre aktuelle Rolle fühlt sich auch Violinistin Lena (Julia Leckner), die in ihrem Kammerensemble nur die zweite Geige spielt. Warum es bislang nicht zu mehr gereicht hat, stellt sie allerdings gleich selbst mit einer leidenschaftslosen Bach-Interpretation unter Beweis. Und schließlich wäre da noch ein weiblicher Clown (Tissi Georg), der mit seiner seltsamen Berufswahl für mehr Lacher sorgt als mit kunstvoll präsentiertem Klamauk.
Da die professionellen Erfolgsberater ewig auf sich warten lassen, beschäftigt sich das Quintett eben mit sich selbst. So werden bereitwillig Kostproben des eigenen Könnens abgeliefert und intime Wunsch- und Alpträume offenbart. Bis man sich die endlich die Frage stellt, was machen wir eigentlich hier und wird jemals jemand kommen, der uns aus der eigenen Unzufriedenheit erlöst?
Warum die fünf Optimierungswilligen vergeblich warten, wird in vier kurzen Animationsfilmen (Alexander Gratzer) aufgelöst, die mit spitzer Feder Episoden aus dem Leben der Erfolgsgurus Leonhard und Axel nachzeichnen. Neben den witzigen Tricksequenzen sorgen Tanz- und Gesangseinlagen für zusätzliche Abwechslung im von Regisseurin Gerda Gratzer konzipierten Lehrstück. Die große Stärke der Aufführung sind die den Schauspielern anscheinend auf den Leib geschneiderten Charaktere. So spielt Jurij Diez den weit gereisten Schauspieler, der er ja wirklich ist. Tissi Georg ist im echten Leben unter anderem als Clowndoctor unterwegs, und dass Rósa Kristín Baldursdóttir tatsächlich Gesang studiert hat, ist selbst für Laien deutlich zu hören.
Große Erkenntnisse für ein besseres und erfolgreicheres Leben liefert „Komm, süßer Erfolg“ weder der Diskussionsrunde auf der Bühne noch dem Publikum. Allerdings vergeht die 100-minütige Selbsttherapie-Sitzung dank des engagiert aufspielenden Ensembles und der verspielten Showeinlagen wie im Nu. Und vielleicht erspart sich der eine oder andere ja den Besuch des Folgeseminars „Wie werde ich selbst erfolgreich, indem ich anderen einfach den Erfolg verspreche“.