Glühwein vom Gefahrenherd
WINTERFEST / CIE SACÉKRIPA
19/12/16 In seiner Mischung aus Slapstick, Artistik und charmanter Charakterstudie zweier komischer Käuze ist „Marée Base“ ein hochprozentiges Erlebnis voller liebenswerter Einfälle, das allerdings keineswegs zur Nachahmung am eigenen Herd geeignet ist.
Von Christoph Pichler
Vertrauenerweckend sehen sie ja nicht gerade aus, die beiden Künstler des „Cie Sacékripa“, die im Rahmen des Winterfests im Volksgarten zum weihnachtlichen Glühweinkochen laden. So darf man sich bei „Marée Base“ auch kein besinnliches Ritual erwarten, sondern einen teils halsbrecherischen Versuch, mit dem billigen Roten auch die Erinnerungen an vergangene Größe aufzuwärmen.
Schon das eigene Zirkuszelt „Petit Chapiteau“, mit dem die beiden aus Frankreich angereist sind, macht einen etwas schäbigen Eindruck. Als Sitzgelegenheit für die 70 Zuschauer muss eine einfache Bretterkonstruktion am Manegenrand herhalten, die aber zumindest weniger wackelig erscheint als alles, was auf der Bühne steht und geht. Da hängen die Regale schief an den Wänden, wird der Tisch mehr von geheimnisvollen Kräften als von den quergenagelten Brettern zusammengehalten und als Schalter für die windige Elektroinstallation muss ein Blumenstiel herhalten.
Und schließlich sind da ja noch die beiden Glühweinköche. Als Erster wankt Mickael Le Guen durch die Zeltwand, um mal schnell einen Apfel aus einem an der Wand hängenden Sack zu fingern und ihn dann am Tisch sitzend zu schälen. In seinem hochgradig illuminierten Zustand wird jedoch jeder noch so kleine Schritt zur großen Herausforderung. So verstrickt er sich etwa beim einfachen Versuch Platz zu nehmen in einen ebenso köstlichen wie halsbrecherischen Zweikampf mit der widerspenstigen Sitzgelegenheit, die der Vierbeiner auch fast gewinnt.
Keine große Hilfe ist ihm Benjamin De Matteïs, der plötzlich mit einer Machete und einem dicken Holzbrett in der Hand ins Zimmer poltert. Hochprozentigen Glühweinnachschub hat er zwar ebenso wenig nötig wie sein Partner, seinen Durst kann das aber keineswegs zügeln. Irgendwann haben es Wein, Gewürze und Apfelstücke trotzdem in den Topf und auf den Herd geschafft, und die beiden nützen die Zeit, um sich mit kleinen Kunststückchen und Neckereien warm, munter und sich und das Publikum bei Laune zu halten.
Die besten Tage haben die beiden zwar längst hinter sich und der Körper macht auch nicht mehr so mit wie einst, dennoch werfen sie sich zum Höhepunkt der Show in alte Schale – ob sie nun passt oder nicht. So spulen sie stolz ein paar Elemente ihrer alten Routine ab, auch wenn die Landungen nicht mehr sitzen und ihnen die Applauspose die letzten Kraft- und Luftreserven raubt.
Bis Benjamin De Matteïs und Mickael Le Guen schließlich vor dem Fernseher sitzen, um sich eine alte Calimero-Folge anzusehen und das Publikum mit einem unfreundlichen Wink aus dem Zelt zu werfen, sind sechzig höchst unterhaltsame Minuten vergangen. Selten hat es so viel Spaß gemacht, Betrunkenen bei ihrem ambitionierten Scheitern zuzusehen. Das ungleiche Paar harmoniert bei den durchchoreographierten Unfallketten so perfekt, dass auch das Publikum hörbar mit ihnen um ihre Gesundheit bangt und jede noch so kleine Errungenschaft mit anspornendem Applaus honoriert.