... und das Leben zerstört
ARGEkultur / URAUFFÜHRUNG / LISA
09/12/16 Gedacht ist „Lisa“ - ein Stück von Dominik Nießl über Cybermobbing und Spielsucht, über Feigheit, Mut und Mut aus Verzweiflung - für Jugendliche. Aber bitte nicht nur! Die jungen Leute wissen ohnehin mehr über das asoziale Treiben in den sozialen Medien als manchen lieb sein wird. Anschauen sollten sich „Lisa“ Eltern, Großeltern und sonstige Erwachsene, die mit jungen Leuten zu tun haben.
Von Heidemarie Klabacher
Nicht-Lehrer kennen das Problem schlimmstenfalls aus der Zeitung: Eine Clique gewaltbereiter „cooler“ Jugendlicher tyrannisiert die Schule und zentriert, weil eh keiner protestiert, allen Frust und irrealen Hass auf die einzige Person, die es „gewagt“ hat, sich gegen die gewaltätigen Umtriebe der Gruppe aufzulehnen. Jetzt steht diese allein am Rande der sozialen, psychischen und physischen Vernichtung...
Wie schwer muss die Psyche junger Leute von Kindheit an verletzt worden sein, dass sie Selbstwert, Selbstachtung und Selbstbild ausschließlich aus der Zahl von imaginären „likes“ oder „followern“ beziehen? Sind beim Cybermobbing nicht letztlich alle zusammen - Täter und Opfer – Opfer aus dem Ruder gelaufener gesellschaftlicher Entwicklungen? Brennende Fragen lässt das Stück auflodern.
„Lisa“, eine Koveranstaltung von „Es Theater“ und ARGEkultur, wurde in der Regie von Gerard Es am Mittwoch (7.12.) im ARGEstudio uraufgeführt. Dominik Nießl hat ein hervorragend funktonierendes packendes Stück geschrieben. Das Thema ist genommen aus dem wohl trostlosesten aller tagesaktuellen Problemfelder der Gegenwart – Mobbing im Internet, jugendliche Gewalt und, auf einer Nebenschine, online-Spielsucht als Krankheit. Doch der Autor hat gekonnt künstlerische Distanz hergestellt, hat banales Betroffenheitstheater zu vermeiden gewusst, indem er die bewährten Register kluger Theaterdramaturgie gezogen hat: So wird die Chronologie quasi nach rückwärts aufgerollt durch am Bühnenrand erzählte Rückblenden. Die gespielten Szenen sind schon vom Text her knapp und auf den Punkt gebracht. Durch diese ständigen Brüche und den Verzicht auf geradliniges Nachspielen wird die Spannung kontinulierlich gesteigert. Irgendwann erfährt man etwa, dass das alles gut zwei Jahre her ist...
Wie schon bei Wolfgang Nießls Debütstück „After Sunset“, untermalt und unterstreicht auch bei „Lisa“ die TheaterKonsole mit dem Soundtrack des Autors die Ereignisse. Es spielen Johanna Lindner,Clara Kammeringer, Lucia Schöndorfer, Eva Schwaiger, Ludwig Weißenberger und Simon Nagl, sowie die Erwachsenen Elisabeth Breckner und Wolfgang Kandler. Die Regie von Gerard Es geht auf Tempo und – gut kontrollierte - Lautstärke in den dramatischen Szenen, und lässt in den stilleren Passagen den jungen Leuten Luft und Raum, um ihren doch naturgemäß ein wenig plakativen Figuren Tiefe und Charakter zu verleihen. - Ein spannender aufwühlender und nachdenklich stimmender Theaterabend.