Theater ist dazu da, Fragen zu stellen
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30/04/10 Auf manche Fragen kann es keine klaren Antworten geben: Das war die Antwort auf Fragen zur aktuellen Produktion „Im Ausnahmezustand“ beim jüngsten "Theatergespräch" im Schauspielhaus.
Von Isabell Spanier
„Im Ausnahmezustand bietet den Zuschauern ein unglaubliches Bild unserer Jetztzeit. Es geht um Ängste und urmenschliche Bedürfnisse nach Sicherheit, Glück und Heimatbezug in einer riesigen überwachten und globalisierten Welt“, so Regisseuring Eva Hosemann.
Gibt es also überhaupt so etwas wie ein ideales, glückliches Leben, das man planen kann? Falk Richter gehe in seinem Stück von einem globalisierten Publikum aus und umreiße dabei gesellschaftlich-politische Themen und aktuelle Probleme.
Dem Ehemann im Stück wird etwa vorgeworfen zu wenig zu leisten. Hosemann meint dazu: „Es geht um Leistungsdruck in unserer Gesellschaft und ist dieser nicht aktuell denn je? Wie gehen die Menschen damit um? Das soll dargestellt werden.“
Schauspielerin Elke Hartmann meint, dass es um das Gefühl geht , „eigentlich in Sicherheit zu sein, aber vor lauter Angst vor Veränderung nicht mehr zu leben“. Dabei komme es zu Überschneidungen zwischen Bild- und Traumwelten: "Irgendetwas" vermische sich, bis der Zuschauer nicht mehr klar zwischen physischer Realität und psychischem Wahn unterscheiden könne und "sich irgendwann alles in einem tiefen unwirklichen Grauschleier verliert".
„Eigentlich ist der Ausnahmezustand jedoch etwas total Natürliches. Zunächst lebt man sicher zusammen und dann kommt es auf einmal zu einer Entwicklung. Zum Beispiel lehnt der Sohn den Vater ab, weil er erkennt, dass dieser kein Superheld ist. Und dabei werden ganz normale Dinge zum Ausnahmezustand“, sagt Maximilian Pfnür, ebenfalls ein Darsteller der aktuellen Produktion. Im Fall von Falk Richter entstehe aus dieser Angst vor Veränderungen ein befremdlich wirkendes Drama. Der Betrachter fühlt sich verbunden mit den Protagonisten, „wie in einem Kasten. Man will raus, aber es geht nicht. Man steckt fest und alles ist ganz dumpf.“
„Natürlich möchte man als Regisseurin eine Schlussbotschaft herausschicken, doch manchmal ist dies einfach nicht der Sinn. Theater ist dazu da, sich selbst Fragen zu stellen und keine Antworten zu bekommen“, meint Eva Hosemann. Die Thematik des Stückes seiz war eine Herausforderung für Publikum und Schauspieler, biete aber viel Potential. Die Ausstattung - Whirpool und Müll - sei minimal: "Da muss man mit ganz anderen Mitteln arbeiten. Und als Zuschauer ist man gefordert auf jedes Detail zu achten“, so die Regisseurin.
„Wenn die Zuschauer den Saal betreten, denken sie: Ach, die haben's fein in ihrem Whirlpool“, sagt Elke Hartmann. Volker Wahl: „... aber wenn das Stück vorbei ist, denken sie sicher: Gott sei Dank, nie wieder Whirlpool!“