Jenufa und Sirup
KLEINES THEATER / ASIP & JENNY
14/10/16 Da ist es gleich mal mucksmäuschenstill im Zuschauerraum: Im Film sehen wir Jenny, wie sie aufs Brückengeländer steigt. Der Jogger Asip, ein junger Flüchtling aus Afghanistan, kommt gerade zur rechten Zeit vorbei, um die Lebensmüde zu packen...
Von Reinhard Kriechbaum
Das Hinüberkippen von kleinen Filmszenen ins Live-Spiel ist ein Stilmittel der Aufführung von „Asip & Jenny“ im Kleinen Theater. Das Stück von Angela Schneider macht gerade in Österreich und Deutschland Furore. Es greift wohl die Gefühlslage von Jugendlichen und zugleich die Zeitstimmung perfekt. Auch in Salzburg hat sich bei der Premiere gezeigt, dass junge Leute sich gerne packen lassen von dieser unprätentiösen Geschichte, die sich so jederzeit und überall abspielen könnte.
Jenny, eine ganz normale pubertäre Jugendliche: Gerade ist das Familien-Patchwork wieder mal zerrissen, der Stiefvater, zu dem sie einen besonderen Bezug aufgebaut hat, ist ausgezogen. Mit der Mutter kann die junge Dame sowieso nicht reden. Mehr Familien- und Pubertätskrise auf einmal geht nicht: „Ich bin die Drama Queen“, sagt sie in einmal, kurzzeitig sogar selbstironisch.
Asip, der Jogger und Lebensretter, ist ein guter Zuhörer. Er kommentiert sein Gegenüber wenig, trotzdem muss er sich „Klugscheißer“ schimpfen lassen von der temperamentvollen Jenny (eigentlich heißt sie Jenufa), die bis über den Kopf in ihren eigenen Problemen steckt und sich für ihren Lebensretter so wenig interessiert, dass sie sich zuerst gar nicht die Mühe macht, seinen Namen zu behalten. „Sirup“ sagt sie zu ihm.
Aber nach und nach bekommt sogar die fast ausschließlich mit sich selbst beschäftigte Jenny etwas mit von seinem Leben. Mit Mutter und Bruder wartet Asip gerade auf den Ausgang des Asylverfahrens. Die zwei jungen Menschen kommen sich näher (aber auch nicht so nahe, dass es kitschig würde). Das Treffen auf der Brücke wird jedenfalls zum Jour fixe...
„Asip gibt es wirklich, er ist jetzt 17, und ich habe ihn bereits kennen gelernt und er ist ein sehr sehr netter liaber junger Mann“, erzählt die junge Salzburgerin Sonja Zobel, die in London Schauspiel studiert. In der Regie von Caroline Richards und Wilhelm Iben spielt die weibliche Rolle; natürlich, uqwasi frisch von der Leber weg, ursympathisch.
Angeblich ist die Aufführung im Kleinen Theater die erste, in der tatsächlich ein Flüchtling Jennys Gegenüber gibt: Alaaeldin Dyab heißt er. Dass er für eine Karriere als Sprinter trainiert, glaubt man ihm ebenso wie sein Sensorium für die egozentrische Jenny. Wer ein Flüchtlingsschicksal erleidet, wessen Vater von einer Taliban-Bombe getötet worden ist – so einer hat eine etwas differenziertere Weltsicht.
Nicht, dass es dem Theatertext von Angela Schneider an Klischees fehlte (das beginnt bei der Brücke als symbolhaften Ort). Aber der Themenkreis Immigration wird nun mal von Stereotypen bestimmt. Die Salzburger Taka-Tuka-Produktion lebt von der überzeugenden Natürlichkeit der beiden Darsteller und vor allem davon, dass die „großen“ Gefühle der jungen Menschen mittelgroß gehalten werden. Da platzt nichts und niemand vor pädagogischem Drang, die Welt verbessern zu wollen. Eine runde Sache.