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Diesmal geht „Fidelio“ ziemlich schlecht aus

LANDESTHEATER / FIDELIO

20/04/15 Leonore malt während der Ouvertüre die Umrisse des Mannes mit Pinsel auf den Boden. So macht man das bei Opfern von Verbrechen. Die Pointe wird damit vorweggenommen: Leonore wird Florestan nicht retten können, der Mann wird Don Pizarros Rache nicht überleben.

Von Reinhard Kriechbaum

Ein böses Ende also, „O namenlose Freude“ hin oder her… Aber erzählen wir vom durch und durch Gelungenen zuerst: Das Mozarteumorchester unter Anleitung von Adrian Kelly spielt Beethovens „Fidelio“ im Salzburger Landestheater kernig, aber nie roh, gut fokussiert im Gesamtklang, immer die Transparenz sichernd. Ein tönender kolorierter Holzschnitt. Das passiert mit nicht wenig Drive im Detail, der vom Bühnenpersonal manchmal so verstanden wird, dass man etwas mehr gibt als dem Raum gut tut.

Nicht alle: Stephen Bronk ist ein Rocco, den der Alltag als Gefängnisaufseher nicht zum Rohling hat werden lassen, der mit seiner Tätowierung auf der Schulter ein bisserl grimmig ausschaut, sich aber ein hohes Maß an Anständigkeit bewahrt hat. Das transportiert er in der Rollengestaltung auch stimmlich, mit vorbildlicher Diktion und gar vokaler Eleganz. Zwei tenorale Strahlemänner hat man anzubieten, Kristofer Lundin als Jaquino und natürlich Franz Supper als Florestan: Über dessen Entwicklung zum Charaktertenor kann man nur immer wieder staunen. Adrian Gans ist als Don Pizarro ein ganz Gefährlicher: ein gewaltiger Finsterling, vor dessen Stimmmacht man sich eigentlich fürchten muss.

In der Attacke auch nicht von schlechten Eltern: die in der Höhe manchmal gar aufdringlich metallische Sinead Mulhern als Leonore. Da ist mehr Kraft als Gestaltung. Natürlich und unangestrengt hingegen Laura Nicorescu als Marzelline. Simon Schnorr ist der Don Fernando, aus dem Chor treten Philipp Schausberger und Roland Faust hervor. Der Chor als Ganzes ist gut drauf, die Feinmotorik zum Orchestergeschehen wird sich noch einspielen.

Der Leiter der Opernsparte am Landestheater, Andreas Gergen, hat Regiehand angelegt. Gergen legt es entschieden darauf an, „Fidelio“ nicht in alter Zeit anzusiedeln. Er möchte uns klar machen, dass es nach wie vor wüst zugeht, wenn in einem autoritären Regime Männer über Männer wachen. Da gibt es Schlägertypen im Personal. Die Gefangenen müssen sich bis auf die Unterwäsche ausziehen und werden auf verschiedenste Weise malträtiert. Ein ganz übler Bursche ist Jaquino, allzeit gewaltbereit. Kein Wunder, dass Marzelline mit so einem nichts zu tun haben, ihn schon gar nicht heiraten will.

Das Wort „Hörspielbearbeitung“ ist in einem Opern-Programmheft selten zu finden. Dahinter steckt, dass Andreas Gergen für diese Aufführung nicht die Sängerinnen und Sänger reden lässt, sondern die verknappten Texte (ohne pathetische Phrasen wie „Welch Dunkel hier!“) einspielen lässt. Dazu wird pantomimisch agiert. Auch Florestan ist nicht in Ketten, sondern hält bloß die Arme überkreuzt, um solches anzudeuten. Für die Arien und Ensembles treten die Vokalisten quasi aus der Spiel-Szenerie heraus.

Nennen wir diesen „Fidelio“ also einfach eine konzertante Aufführung zwischen ziemlich eindrucksvollen, drastischen Bildern. Heinz Hauser hat sich aus fluoreszierenden Bändern ein eindrucksvolles Bühnenbild ausgedacht. Wie um einen Boxring sitzen Chor und Protagonisten, wenn sie gerade nichts zu tun haben. Wenn die Drehbühne in Gang gesetzt wird und sich die senkrechten Gitter-Bänder ineinander schlingen, hat das ästhetischen Effekt.

Die Trennung zwischen Rahmenhandlung und Ariensingen ist ein raffinierter Schachzug, weil man sich als Regisseur damit das Erzählen einer wirklich stringenten Geschichte erspart. Figuren-Psychologie, ja, die kommt einigermaßen heraus, auch die auratischen Zustandsbeschreibungen von Gewalt und Unberechenbarkeit.

Dass aber Beethoven am Ende ein Lieto fine komponiert hat, damit will Andreas Gergen sich so gar nicht anfreunden. Im Kerker noch rammt Don Pizarro dem Florestan eine Giftspritze in den Leib. Langsam wirkendes Gift, weil Florestan muss sich ja noch die Gattenliebe besingend hinüberretten in die Finalszene, die dann quasi ausgeklinkt wird: Der eigentlich tote, aber befreite Gefangene steht als Untoter im blütenweißen Anzug da. Ein paar kurzfristig Hingerichtete stehen auch wieder auf. Leonore bekommt von Marzelline das für sie unnütz gewordene Brautkleid und zieht es auch gleich an. Jaquino darf sich auch nochmal kurz aufführen. Don Fernando steht hölzern da. Was sollen wir uns denken dazu? Vielleicht ganz simpel: Gattenliebe wäre schon was Schönes, allein sie fruchtet nicht, wenn’s den bitterbösen Rohlingen nicht gefällt. Alles weltfremde Utopie.

Irgendwie ist es patschert, wenn ein Opernfinale und das, was der Regisseur sich zur Geschichte denkt, so partout nicht zueinander passen.

Aufführungen bis 21. Mai im Salzburger Landestheater – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Anna-Maria Löffelberger

 

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