Spannende Reisen ins Innerste
STIFTUNG MOZARTEUM / KAMMERKONZERT
21/05/14 Kammermusik im Großen Saal des Mozarteums. Ein Meistertrio am Podium. Ein nahezu voller Saal mit erstaunlich vielen jungen Leuten. Bravorufe und Getrampel nach Klaviertrios von Brahms und Tschaikowski. Eine mitunter schon totgesagte Gattung gibt ein erfreuliches Lebenszeichen.
Von Gottfried Franz Kasparek
Der Stiftung Mozarteum und ihrem Leiter Matthias Schulz ist es geglückt, die Tradition neu zu beleben. Dass auch im Solitär der Universität und anderswo in Salzburg Kammermusik gepflegt und vom Publikum durchaus angenommen wird, ist ebenso erfreulich. Dass für die nähere Zukunft neben viel Beethoven und Brahms auch viel Musik des 20. Jahrhunderts angekündigt ist, stimmt hoffnungsfroh, was die breiterer Rezeption des heutzutage von massiver Einengung bedrohten Repertoires und den Kontakt mit der Gegenwart betrifft.
Maßstäbe setzende Klaviertrios des 19. Jahrhunderts standen auf dem Programm des Geigers Christian Tetzlaff, der Cellistin Tanja Tetzlaff und des Pianisten Lars Vogt, die ein (noch?) namenloses, aber hochkarätiges Trio bilden. „Spannungen“ lautete das Motto des Konzerts und spannend war dieser Abend vom ersten bis zum letzten Takt.
Das H-Dur-Klaviertrio von Johannes Brahms würde man zwar sehr gerne wieder einmal in der noch spannenderen, wilderen Urfassung von 1854 hören, aber auch in der mitunter geglätteten Version von 1889 ist es kein altersweises, sondern ein höchst expressives Stück geblieben. Schlichtweg mitreißend, wie die Geschwister Tetzlaff mit bei aller Präzision doch gebührend romantischer, dabei nie überbordender Klangsinnlichkeit und der exakt nuancierende und herrlich mitatmende Pianist das gespielt haben. Im langsamen Satz schien manches Mal die Zeit stille zu stehen, ehe sich aus dem Verharren zwingend neue Energien entwickelten.
Nach der Pause erklang das singuläre Klaviertrio von Pjotr Iljitsch Tschaikowski – das Requiem für den Freund Nikolai Rubinstein und das „arme Russland“, in dem um 1880 die Diphterie unter Kindern wütete. Ein Stück, welches in seinem wahrlich von extremen Spannungen durchpulsten Variationensatz die klassisch-romantische Form radikal sprengt. Das Trio am Podium bewies eindringlich, welch innovativer musikalischer Visionär Tschaikowski gewesen ist, einer eben, dem noch dazu die Gabe der Melodie gegeben war. Wie Christian Tetzlaff vibratoarm und doch zutiefst empfindungsvoll und oft in grandioser Leuchtkraft die Violinkantilenen modellierte, wie Tanja Tetzlaff am Cello nicht bloß schöne Töne erzeugte, sondern auch bohrende Fragen nach dem Wesentlichen stellte, wie Lars Vogt am Flügel packende Virtuosität mit verinnerlichter Aussage vereinte – dies wird man so bald nicht vergessen. Zugabe war nach dieser aufwühlenden Seelenreise wirklich keine mehr möglich.