Das Leben – ein Spiel
LANDESTHEATER / MANON
22/10/18 Für Manon ist das Leben ein Spiel mit immer neuen Versuchungen, die schließlich tödlich enden. Manon, die Spielerin, wird schon während des Vorspiels am Spielautomaten sichtbar hinter einem Schleiervorhang, auf dem projizierte Automatensymbole vorüberflimmern. Am Ende wird sie, des Falschspiels angeklagt, zur Deportation verurteilt.
Von Elisabeth Aumiller
Mit der Produktion von Jules Massenets Oper „Manon“ hat sich das Landestheater einem ehrgeizigen Projekt verschrieben, das in den akustischen Gegebenheiten des Theaters nicht problemlos verlaufen ist. Aber zum Jahresmotto „Die Sehnsucht nach dem Amoralischen“ fügt sich passend die Geschichte der jungen Manon, die zuerst die Liebe zu Des Grieux dem zugedachten Klosterleben vorzieht, dann aber die Liebe für ein Leben im Luxus eintauscht.
Die Regisseurin Christiane Lutz verlegt das Sujet aus dem 18. Jahrhundert in die Gegenwart. Der Bühnenraum aus hohen grauen Wandpaneelen mit schwarzen Längs- und Querverstrebungen zeigt die Abfertigungshalle eines Flughafens ( Bühne Julia Müer), in der Manon mit anderen Flugreisenden ankommt.
Da gibt es die Aufschriften Senator Lounge, Bagages, Objets trouvés und die Tafel mit den weltweiten Abflügen und Ankünften. Während Manon auf ihren Koffer wartet, in dem die Zollbeamten, darunter Manons Cousin Lescaut, verstohlen Rauschgift verschwinden lassen, trifft sie auf Des Grieux, der seinen Abflug verpasst hat. Schnell verliebt, machen sich beide aus dem Staub und auf nach Paris. Auf der Drehbühne kreist eine Modellfolge von Pariser Symbolen wie Eiffelturm, Arc de Triomphe etc.
Das dürftige Leben in Paris und die spärliche Behausung des Paares wird symbolisiert in einem großen offen aufgestellten Koffer mit grauer Fütterung, in dem nur das kleine Tischchen, ein Stuhl, ein Trinkglas und ein Blumenstrauß Platz haben. Der Verlockung des Reichtums wird optisch durch das Entfernen der grauen Kofferinnenwand und der dahinter aufscheinenden Tapete mit Louis Vuitton Symolen genüge getan. Außerdem versteckt Manon vor Des Grieux einen protzigen Ring, den ihr der reiche Brétigny angesteckt hat. Im 3. Akt eignen sich die hohen Wandpaneele und ein großer hereingefahrener Beichtstuhl zur Darstellung der Abtei St. Sulpice, in die sich Des Grieux, in der Absicht Priester zu werden, zurückgezogen hat.
Die Regisseurin erzählt die Geschichte schlicht, folgerichtig, verständlich und bühnenpraktisch. Die deutschen Übertitel helfen dem französisch gesungenen Original etwas auf die Sprünge. Die Kostüme (Dorothee Joisten) sind für den Chor lustig und individuell variiert gehalten, aber für die Protagonistin sind sie besonders unvorteilhaft ausgefallen.
Gesanglich kann sich die Manon von Shelley Jackson Lorbeeren holen. Mit ihrem tragfähigen klaren Sopran lässt sie die Kernstruktur der Musik aufleben. Ihre stärksten Momente hat sie im Abschied vom einfachen Leben und ihrer Liebe im zart gesungenen „Je ne suis que faiblesse … Adieu, notre petite table“.
Auch in der Verführungsszene im Kloster „N'est -ce plus ma main“, als ihr Des Grieux von Neuem erliegt, entlockt sie ihrer Stimme eindrückliche Facetten und Farben. Weniger überzeugend gelingt der emotionale Ausdruck in ihrer etwas unvermittelt dargestellten Sterbeszene.
Mit Abdellah Lasri als Des Grieux hat sich das Landestheater einen Tenor mit stimmlicher Power bestellt, der von einem Theatersaal mindestens in der Größe der Wiener Staatsoper ausgeht und seine Rolle wohl mit einem Wettstreit um die kräftigste Lautstärke verwechselt. Im eintönigen Forte sind für diesen Des Grieux Differenzierung, Emotion und musikalische Phrasierung offenbar Fremdworte. Vielleicht richtet er sich deshalb am Ende mit Kopfschuss.
Sehr schön hingegen fächert der Chor die mannigfaltigen Reize der Musik auf. Für Ohr und Auge sind Tamara Ivaniš, Hazel McBain und Kate Coventry als Pousette, Javotte und Rosette eine schöne Klangerholung und erfreuliche Ensemblebereicherung. George Humphreys als Lescaut und Yevheniy Kapitula als De Brétigny sind rollengerecht eingesetzt und Raimundas Juzuitis gibt einen respektablen Comte Des Grieux.
Das Mozarteumorchester unter Adrian Kelly klingt diesmal stellenweise sehr robust und meistens zu laut. Nur bei Manons innigen Momenten zeigt plötzlich auch das Orchester Zartheit und schillernde Farbe. Aber insgesamt fehlt es dieser musikalischen Wiedergabe an Esprit, Charme, Differenzierung und reichen Schattierungen von Massenets reizvoller Klangsprache.