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Glasperlen-Versteher

SOMMERSZENE / NAYANA KESHEVA BHAT

08/06/18 Inevitable. Unvermeidlich, zwangsläufig. Etwas also, mit dem man sich arrangieren muss wie mit den Folgen eines Naturereignisses? Ja, aber ein solches Sich-Fügen muss nicht zu Zähneknirschen führen. „Room of inevitable End“ von Nayana Kesheva Bhat auf der Sommerszene.

Von Reinhard Kriechbaum

Da ist am Anfang einer gestanden und hat sich aus einem hohen Zylinder eine Unmenge von Glasperlen über den Kopf gegossen. Die funkelnden Dinger kugeln im Großen Saal der ARGEkultur im Umkreis von ein paar Metern herum. Was ausgegossen ist, ist draußen. Man kann den Perlen schwerlich anschaffen, wieder zurückzukehren ins Gefäß, weder mit Bitten noch mit Befehlen. Das gelingt nicht mal diesem Einen, Roni Sagi, der in der am Donnerstag (7.6.) uraufgeführten Choreographie „Room of inevitable End“ sich als einer herausstellen wird, der seine Erinnerungen eben wie einzelne Rohdiamanten handelt.

Zu einem jeden scheinen ihm gute und weniger gute Gedanken geblieben zu sein. Sie leben für ihn. Er ist einer, der mit den Glasperlen spricht, schäkert, ihnen Vorhaltungen macht und sich ihnen in Liebe zuwendet. Wenn sie in einer Linie quer über die Bühne liegen, wird er sich mit Engelsgeduld von einer zur anderen wenden, wird hundertfach sagen „You … and You“, und das wird sich zu einem fast orgiastischen, wenn auch einsilbigen Sprach-Musikstück auswachsen. Ein Glasperlen-Versteher.

„Room of inevitable End“ von Nayana Kesheva Bhat ist eine Schau-Komposition über das Erinnern. Was fruchtet's, noch an das zu denken, was unwiederbringlich vorbei ist? Noch gegenwärtige Gedanken, Sinneseindrücke, Befindlichkeiten aus einer verblassten Vergangenheit. In einer insgesamt surrealen, im Einzelnen freilich liebenswürdig konkret geerdeten Choreographie entwirft die in Salzburg im SEAD ausgebildete Tänzerin Nayana Kesheva Bhat Szenen irgendwo zwischen Philosophie und Burleskerie.

Immer ist es irgendwie auch komisch, wenn die fünfköpfige Gruppe – Anna Bárbara Bonatto, Maayan Reiter, María Casares González, Maria-Pilmaiquén Jenny und der Perlenflüsterer Roni Sagi – ihren verflossenen Gedankensplittern nachhängt, sie quasi einfangen und festhalten will und ihnen in Gruppen-Choreographien im Wortsinn „nachhängt“. Melancholie ist keineswegs die dominante Stimmung, es ist immer wieder auch verblüffend komisch. Maria-Pilmaiquén Jenny wechselt von den Keyboards auf die Tanzfläche, sie ist in beiden Metiers stark. Mit ein paar Handgriffen generiert sie Minimal-Music-Loops und ist gleich wieder Teil der Gruppe, die siebzig Minuten lang im Kollektiv und in der Gruppe, sprechend und tanzend, zwischen Traum und Wachheit pendelt. Und das nicht selten mit ironischem Touch.

Die Sommerszene dauert bis 16. Juni – www.szene-salzburg.net
Bilder: Szene Salzburg / Bernhard Müller

 

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