„Als Plunder-Fest allzeit verflucht und verbannisiert“
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28/02/17 Salzburg ist keine Faschingshochburg, aber es wäre doch stark übertrieben zu sagen, dass die Salzburger eher in den Keller lachen gehen. Die Salzburger Faschingsgilde gilt mit ihrem Gründungsdatum 1948 immerhin als der älteste Verein bekennender Narren in Österreich.
Von Reinhard Kriechbaum
Jedes Jahr am Faschingssamstag gibt es in St. Gilgen einen Umzug der Faschingsgilde „Schwarze Hand“. Sie wurde schon 1955 gegründet. An den derzeit zwei „Gildenabenden“ (auch „Bühnenfasching“) werden lokale wie auch internationale Ereignisse und Persönlichkeiten lustvoll durch den Kakao gezogen: der Villacher Fasching im Kleinformat sozusagen. 1975 ist die Faschingsvereinigung Naracucula in Kuchl gegründet worden, 1987 die Faschingsgilde Plainfeld und 1999 die Grünobergesellschaft in Straßwalchen. Die Faschingsgilde Plainfeld (im Bild einige der Gardemädchen) hat also dieser Tage ihr dreißigjähriges Bestehen gefeiert. Von Landeshauptmann Haslauer gab's dafür Lob und, wie die Landeskorrespondenz berichtete, „einen persönlich gewidmeten Ehrenbecher gefüllt mit Mozartkugeln“. Der Ertrag der Faschingssitzungen wird dort für einen sozialen Zweck gespendet, lobte Haslauer.
Wann wird Faschingstreiben eigentlich greifbar in Salzburg? Mit Erzbischof Markus Sittikus von Hohenems (Regierungszeit 1612 bis 1619), dem Erbauer des Lustschlosses Hellbrunn, hat ein radikaler Fest-Wandel eingesetzt, der nicht nur die Residenzstadt der Fürsterzbischöfe erfasst hat, sondern weithin ausstrahlte ins Land. Markus Sittikus ließ den venezianischen Fasching nach Kräften imitieren und Umzüge von staatstragender Üppigkeit ausrichten. Von „Festspielen barocker Kulturpolitik“ schreibt die Salzburger Landes-Volkskundlerin Ulrike Kammerhofer-Aggermann.
Sowieso herrschte reger Kulturaustausch über die Alpen, und zwar auf hoher und niedriger Ebene: Päpste und Kardinäle gehörten zur Sippschaft von Markus Sittikus. Über die Handelswege – Saumpfade immer noch – kamen Waren und Menschen aus Oberitalien in unseren Raum, Händler und Wanderarbeiter. Sie brachten Kunde aus der Fremde, manche führten ihre eigenen Gewohnheiten weiter. So kamen – prominentes Beispiel für karnevaleske Kulturwanderungen – die Pinzgauer Tresterer ins Land. Ihre Brokatkostüme sind Kulturgut aus der oberitalienischen Fasnacht der Renaissance und des Barock. Später hat die Einbürgerung von Tiroler Katholiken aus dem Inntal (bis heute ein Zentrum des Faschingstreibens in Österreich) für den Import so mancher Larve gesorgt.
Kein Wunder, dass wir vom Faschingstreiben im Land fast nur aufgrund von Verboten erfahren. Die ältesten archivarisch zu belegenden Faschingsverbote in Salzburg stammen aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Faschingsläufe, also öffentlich zu schau gestellte Lustigkeit, war der Obrigkeit verdächtig. In einem Edikt von Erzbischof Guidobald Graf Thun 1664 werden die Faschingsläufe als „kümberlich“ bezeichnet, sie gaben also zu Kummer Anlass.
Was von den Landleuten erst begierig aufgegriffen und imitiert wurde, ist dann allerdings bald nicht mehr (oder gar nie wirklich) verstanden worden. Allerlei Maskeraden (auch die tanzenden Tresterer) wanderten zu jenem Termin, an dem man sich hierorts seit je her verkleidete: in der letzten Raunacht, der „Perchtennacht“ von 5. auf den 6. Jänner. So kamen allerlei Faschingsfiguren auch in die Pongauer Perchtenläufe, Barocker Mummenschanz und alter Perchtenbrauch begannen ineinander zu fließen.
Nach ein paar Jahrzehnten, spätestens gegen Ende des 17. Jahrhunderts, waren die elitären Maskeraden der Zeit des Markus Sittikus degeneriert „zum viehischen Brauch- und Götzenfest, zum lästerlichen Lumpen- und Venusfest, zum verfluchten Teufel-Fest, das Unsere liebe Mutter, die katholische Kirch, hat als Plunder-Fest allzeit verflucht und verbannisiert“. So poltert ein Salzburger Geistlicher 1696.
Im frühen 20. Jahrhundert müssen wir uns das Faschingstreiben (gegen den Faschingsdienstag hin) in den Dörfern als Verkleidungsfeste auf privater/nachbarlicher Ebene vorstellen. Am Faschingsdienstag selbst gab es dörfliche Umzüge, wobei die öffentliche Rüge im Narrenkostüm ein wichtiges Motiv war.