L'Amour ist schuld
REST DER WELT / DONAUFESTWOCHEN GREIN
04/08/14 Durch das Triumvirat der Geburtstags-Jubilare Richard Strauss, Christoph Willibald Gluck und Carl Philipp Emanuel Bach gerät heuer Jean-Philippe Rameau mit seinem 250. Todestag am 12. September ins Hintertreffen. Doch nicht ganz: Das Barockfestival auf der Greinburg im Strudengau erinnert dankenswerterweise seiner schon jetzt.
Von Horst Reischenböck
Im Buffonistenstreit (Piccini gegen Gluck) wurde der Rameau als hochbarocker Opernreformer noch posthum ins Treffen geführt. Und auch der junge Mozart hätte ihm bei seinem ersten Aufenthalt in Paris noch begegnen können.
Rameau kreierte ein eigenständiges Genre mit ausgedehnten Tanzeinlagen und verzichtete dafür auf ausgedehnte da-capo-Arien italienischen Typs, die ein Fortschreiten der Handlung verzögern. Solch instrumentalen Glanzstücken widmete sich Michi Gaigg mit ihrem L'Orfeo Barockorchester schon in der Vergangenheit. So wurde die hörenswerte Aufnahmen von „Castor et Pollux“ jüngst bei cpo wieder aufgelegt und nun aktuell um Orchestersuiten aus „Zaïs“ und „Hippolyte et Aricie“ auf CHRYSTAL abwechslungsreich ergänzt.
Klein aber fein: Für Grein mit seinen beschränkten gestalterischen Möglichkeiten der Szene im prachtvollen Ambiente des Renaissance-Schlosshofs bündelte Michi Gaigg zwei von Rameau ersonnenen Mischformen von jeweils einer dreiviertel Stunde Dauer zu einem abendlichen Ganzen. Eigentlich sind es Kammeropern, die – jede auf ihre Weise – mit der Liebe zu tun haben.
Zunächst den Acte de ballet „Pigmalion“ (da fällt spontan der irische Dichter Bernard Shaw und „My fair Lady“ ein): Der von Ovid beschriebene Bildhauer war von zügelloser Weiblichkeit dermaßen frustriert, dass er sich ein Statue schuf, die später den Namen Galatea bekommen sollte. In die verliebt sich Pigmalion, was seine Freundin Céphise nicht versteht. L'Amour als Göttin verhilft der Statue zum Leben, worauf sich Pigmalion „unsterblich“ in sie verliebt. Ende gut, alles gut.
In den Kostümen von Isabella Reder, die auch die kubistisch angehauchte Szenerie samt weniger Versatzstücke schuf, verlegte Regisseurin Manuela Kloibmüller den schlichten Inhalt durchaus passend in heutige Tage, verordnete dem Standbild beim Erwachen dann Stöckel- und ärmellange Handschuhe. Das mag auch die Choreographin Rose Breuss veranlasst haben, den drei Grazien des Linzer CIE. Off Verticality als Vorbild für „La Statue“ modernen Ausdruck mit allerdings gelegentlich wenig plausiblen Verrenkungen zuzumuten. Wohl nicht so ganz in Rameaus Sinne als psychologisch Vertiefung des Geschehens.
Da wirkte Nadine Horváths erotisch-lasziver Tanz nach der Pause in dem Ballet héroïque „Anacréon“ weit plausibler. Spielt doch der namensgebend alternde antike Dichter mit der Liebe, doch zuletzt finden zwei Paare dennoch glücklich zusammen.
Wie immer überzeugte die handverlesene Sängerschar. Als Pigmalion geschmeidig hell der Tenor David Munderloh. Er war im zweiten Werk Batile, dessen Liebe zu Chloé auf die Probe gestellt wird. Soetkin Elbers bestach darin, und auch schon zuvor sowohl als Céphise wie als Amor mit strahlend leicht geführten Koloraturen. Perfekt kontrastierte dazu Annastina Malms Mezzo, vor allem als zum Leben erweckte Statue. Eine sichere, profund geführte Stütze auch Bariton Markus Volpert als Anacréon, mit dem Michi Gaigg schon verschiedentlich für Georg Philipp Telemann ( „Orfeo“ bei harmonia mundi und, jüngst die Oper „Miriways“ auf cpo) ersprießlich zusammenarbeitete.
Doch was wäre dies Alles ohne sie selbst? Michi Gaigg holte mit ihren gleichsam modellierenden Händen erneut ein Optimum aus dem auf Originalinstrumenten spielenden L'Orfeo Barockorchester heraus. Die Streicher sind um ein Flöten- und Oboenpaar plus Fagott und Tambourin erweitert. Das klingt also abwechslungsreich, ist rhythmisch pulsierend, und man ist mit Akribie Rameaus grandiosem Einfallsreichtum auf der Spur.