Rund ist dieser Ring bisher noch nicht
REST DER WELT / LINZ / WALKÜRE
24/03/14 Auch für diejenigen, die die Linzer „Walküre“ nicht zu besuchen gedenken, empfiehlt sich ein Blick aufs Internetangebot des Landestheaters. Denn dort gibt es wertvolle Tipps, wie besagte Oper gut zu überstehen ist. Geraten wird zu eher leichtem Essen bereits am Vorabend, das Frühstück am Premierentag sollte idealiter aus weichem Ei, Gurken, Tomaten und magerem Schinken bestehen...
Von Jörn Florian Fuchs
Da die „Walküre“ ja ein sehr mächtiger Schinken ist, gilt es, mittags nochmals ganz besonders leichte Kost zu sich zu nehmen und nicht zu viel zu trinken – das vermeidet peinliche Situationen etwa während Wotans langen Monologen. Naturgemäß stimmen solche wohlmeinenden Ratschläge auch bei anderen Mammutwerken der Opernliteratur und doch haben sie gerade bei dieser eher schwerfälligen und sehr langsam dirigierten Aufführung sicher besondere Berechtigung.
Dennis Russell Davies ist hörbar verliebt in Details, er kostet sämige Blechpassagen genussvoll aus, verlangt dem Bruckner-Orchester wie den Sängern immensen Atem ab und gewinnt aus geschichteten Leitmotiven wundersamerweise oft zergliederte Einzelteile. Das klingt interessant, vor allem im zweiten Aufzug zeitweise fantastisch, führt jedoch immer wieder auch zu großer Ermüdung, die sich bisweilen vom Graben auf die Bühne überträgt.
Im Gegensatz zum „Rheingold“ ist das Linzer Sängerensemble hier auch nicht ganz so homogen, Gerd Grochowskis leicht monochromer, dennoch intonationssicherer Wotan und die fantastischen Traum- und Trauertöne von Brit-Tone Müllertz' Sieglinde erfreuen das Ohr, während Elena Neberas Brünnhilden-Sopran ziemlich unruhig flackert und Michael Bedjai als Siegmund rasch vor seiner anspruchsvollen Partie kapituliert. Bedjai war ein ordentlicher Loge, der Siegmund ist aber mindestens eine Nummer zu groß für ihn.
Uwe Eric Laufenbergs beim „Rheingold“ gestarteter Versuch einer ebenso konkreten wie unspezifischen Verortung der Handlung führt, trotz einiger starker Bilder, leider ins Leere. Hundings Hütte ist eine Kneipe samt integriertem Biergarten, in der Mitte steht die Weltesche – mit angeklebter Speisekarte. Ein ganzes Rudel von Gestalten wuselt hier herum und stört die Intimität zwischen Siegmund und Sieglinde. Wotan erscheint als Kriegsherr mit üppiger Entourage, aber wer hier wen bekämpft, erfährt man nicht. Brünnhilde irrlichtert mehrfach durch die Szenerie, ob sie mitbekommt, was da los ist oder nur symbolhaftes Menetekel sein soll, keine Ahnung. Während sie Siegmund vom nahen Ende berichtet, decken einige Walküren eine Festtafel mit Blumen und Kerzen, barbrüstige „Helden“ kommen hinzu. Wenn dieses Bild nicht so pittoresk ausgemalt wäre, sondern surrealer bliebe, könnte es durchaus Eindruck machen. So wirkt es eher lächerlich.
Die toten Helden werden in einem schmucklosen Mehrzweckraum deponiert. Später verwandelt sich dieser Ort zum Flammenfelsen, hier gelingt Laufenberg etwas wirklich Neues: Brünnhilde steigt in eine antike Göttinnen-Statue, wird sozusagen lebendig eingeschläfert, während die Walküren Opferschalen entzünden. In dieser mythischen, archaischen Atmosphäre hätte die Oper gut enden können, doch Laufenberg lässt noch dekorativ Videoflammen züngeln und blendet ganz zum Schluss brennende Flugzeuge und den Times Square ein – ein ziemlicher Stuss!
So endet der zweite Ring-Teil durchwachsen und man kann nur hoffen, dass die Regie beim „Siegfried“ endlich mehr Sinn stiftet und die bisher herum liegenden Bruchstücke sinnvoll zusammen schmiedet.