Lasterhaftes Leben mit Todesfolge
REST DER WELT / GRAZ / STYRIARTE
01/07/13 „Gefährliche Liebschaften“ ist Thema der Styriarte in Graz heuer. Der Barockkomponist Alessandro Stradella hat das mehrmals ausprobiert – seine Liaisonen mit Schülerinnen von venezianischem Adel waren so fatal, dass gleich zwei Clans Mörder dingten, um den Filou beiseite zu schaffen.
Von Reinhard Kriechbaum
Alessandro Stradella (1639-1682) wusste um laszives Leben, als er 1675 sein frommes Oratorium „San Giovanni Battista“ – die Geschichte von Salome und dem enthaupteten Täufer – schrieb: eine einprägsame Musik-Erzählung, die uns auf der einen Seite die machtgierige Salome vorstellt (die ihren Stiefvater austrickst) und auf der anderen Herodes, der vermutlich gar kein so schlechter Mensch wäre, wenn er nicht in schlechter Gesellschaft wäre. Post festum (nach der Enthauptung des Täufers) bleiben die beiden in unterschiedlicher Stimmungslage zurück: sie triumphierend, er gepeinigt vom schlechten Gewissen. Bibel und Barock-Librettist ersparen uns eine Bestrafung von oben.
Auf die hat der Komponist nicht lange warten müssen. Der erste Mordversuch war schief gegangen (die Mörder waren schlampig und hielten der Verletzten für tot). Die zweite Killerpartie arbeitete perfekt, und so ging es Stradella 1682 in Genua endgültig an den Kragen.
Die Styriarte hat für eine Aufführung des hörenswerten Stücks am Sonntag (30.6.) ins Stift Rein geladen: in den Stiftshof zuerst, wo Salome vor Herodes tanzen durfte (Klaudia Reichenbacher, begleitet vom Ensemble Armonico Tributo Austria unter Lorenz Duftschmid). Eine nette Ergänzung, denn in Stradellas Oratorium kommt der Tanz gar nicht vor, Salome betätigt sich nur singend als Herodes’ Seelenaufheiterin.
Der Blick ins Programmheft lässt erst mal erstarren – 44 Rezitative, Arien und Duette. „San Giovanni Battista“ dauert dann doch nur anderthalb Stunden, denn die Da-capo-Arie war damals noch nicht üblich. Stradellas Oratorium erzählt die Geschichte eher mit madrigaleskem Duktus, kräftig in der Rhetorik, bemerkenswert unprätentiös in den Sprachbildern. Man war damals wohl noch eher auf Unterhaltung denn auf pietistische Belehrung aus.
Gute Voraussetzungen für eine Wiederbegegnung also, mit Gerlinde Sämann als dunkel timbrierte und damit ein wenig hintergründige Salome, der Peter Kooij (Bass) als Herodes in der genauen Differenzierung der Stimmungen in nichts nachstand. Dazu Mieke van der Sluis (Sopran), Jan van Elsacker (Tenor) und natürlich der wundervoll gerundete Altus Alex Potter in der Rolle des Johannes – eine handverlesene Solistenschar. „Armonico Tributo Austria“ ist ein punktgenau artikulierendes Originalklangensemble. Zwei Geigen nehmen in Stradellas Oratorium quasi konzertante Funktion gegenüber dem kleinen Streichercorps ein und auch die Gambe (Lorenz Duftschmid) hat einige halsbrecherisch-virtuosen Arienbegleitungen zu meistern.