All inclusive Liebestrank
REST DER WELT / GRAZ / L’ELISIR D‘AMORE
28/11/12 Die Geschichte von Isolde und dem Liebestrank, den saugt sich Adina nicht aus den Fingern, sondern aus dem Netz. Sie sitzt vor ihrer „Bar Adina“ am Laptop, als relaxte Vorzeige-Blondine zwischen den All-inclusive-Urlaubern, die von Animateuren bei Laune gehalten werden.
Von Reinhard Kriechbaum
Nemorino jobbt im Club. Als Müllsack-Wegräumer hat er wirklich jämmerlich schlechte Karten im Wettbewerb um Adina. Was soll einer wie er schon ausrichten gegen Belcore, der im schmucken Matrosenanzug auftaucht und sich in einer imponierenden Macho-Nummer in einen Beau in Badedress verwandelt. Später wird Belcore die potentielle Braut mit der Vespa abholen. Da hilft wohl wirklich nur ein Liebestrank. Dulcamara muss den Werbeauftritt für seinen in Dosen angelieferten Energy-Drink bei Red Bull abgeschaut haben, aber der Verkaufsstratege hat noch andere Dinge bereit, weißes Pulver in kleinen Plastiksäckchen. Für Energy-Notfälle. Prompt sind Polizisten mit vierbeinigen Schnüfflern zur Stelle, was zuletzt dem Frauenhelden Belcore gar nicht gut bekommt.
Damiano Michieletto ist der Regisseur dieses liebenswürdigen, erzählfreudigen „Liebestranks“ in der Grazer Oper. Heuer hat er bei den Salzburger Festspielen (deutlich unterbelichteter) „La Bohème“ inszeniert, im kommenden Sommer ist er hier für Verdis „Falstaff“ verpflichtet. In Donizettis Oper hat Michieletto alle Register der Spielfreude gezogen und damit Premierenjubel sondergleichen angefacht. Sehr verdient, denn das leichte Parlando der Musik findet im Optischen eine schöne, detailreiche Umsetzung. Der gebürtige Venezianer weiß um das moderate Ballermann-Flair an der oberen Adria, da fallen ihm viele ironische Details ein. Es macht Freude, den Chor und die Statisterie zu beobachten. Die Hauptgeschichte gerät trotzdem nicht aus dem Blick, und wenn die zu Nemorino bekehrte Adina allein an der Bar lehnt und er sein „Una furtiva lagrima“ schmachtet, dann ist das unmittelbar anrührend.
Antonio Poli kam auch schon zu Salzburger Festspielehren, unter Muti zu Pfingsten bei „I due Figaro“, im Sommer 2011 in „Macbeth“ und zuletzt in der konzertanten „Iolanta“. Als Nemorino in Graz überzeugt der junge, absolut unverbrauchte Tenor mit absolut mühelosen Höhen. Völlig uneitel und unaffektiert gestaltet er die Rolle. Margareta Klobu?ar, die diese Rolle schon vor Jahren in der Corgänger-Inszenierung in Graz gesungen hat, bestätigte sich als routinierte und koloraturengeläufige Adina. Der in Salzburg am Mozarteum ausgebildete Andrè Juen ist Antonio Poli stimmlich absolut ebenbürtig – was das Musikalische angeht, hätte Adina zwischen den beiden Männern eine gute Auswahl. Wilfried Zelinka ist ein ur-witziger Dulcamara.
José Miguel Esandi hat am Premierenabend ein wenig gebraucht, das Grazer Philharmonische Orchester in Schwung zu bringen – aber als das Räderwerk erst mal eingelaufen war, war der Klang duftig und durchhörbar, und es war der pure Genuss, unerwarteten Finessen des Bläsersatzes zu lauschen.