„O frivol ist mir am Abend!“
REST DER WELT / WIEN / WELT DER OPERETTE
03/08/12 Bad Ischl, Mörbisch: Im Sommer hat die Operette Hochsaison. Im Theatermuseum, in einer absolut sehenswerten Ausstellung im 1. Stock des Palais Lobkowitz nahe der Albertina, kann man mit Gewinn sehen, dass die „leichte Muse“ gar nicht so schwer ist, wie dies heute manchmal scheint.
Von Horst Reischenböck
Gerade Wien war bis zum Anschluss besonders durch seine Unterhaltungskultur geprägt. Schuld daran der „sittengefährdende“ Jacques Offenbach in Paris. Nur recht und billig also, dass die von Sam Madwar, Bühnenbildner der Volksoper, raffiniert und eindrucksvoll in Szene gesetzte Ausstellung mit diesem beginnt. Als Basis dazu der im hauseigenen Besitz befindliche umfangreiche Nachlass von Hubert Marischka in Verbindung mit dem in Amsterdam beheimateten Operetta Research Center.
„O frivol ist mir am Abend!“ Das Genre, dem heute oftmals das absolut unberechtigte Odium des Verstaubten anhaftet, war ganz anders. Die Librettisten reagierten sozialkritisch auf die jeweilige Entstehungszeit, die Anspielungen wurden vom Publikum verstanden und entsprechend begeistert aufgenommen. Der Humor und eine aus damaliger Sicht durchaus pornografisch verstandene Komponente kamen dazu. Das illustrieren einzelne Bilder weiblicher Protagonisten sehr anschaulich, die Damen geizten durchaus nicht mit ihren erotischen Reizen. Operette war eben nichts „für Betschwestern, spröde alte Jungfern und Hypermoralisten“ – jedenfalls solange nicht, bis eine vom roten Wien verordnete „Lustbarkeitssteuer“ in den 20er-Jahren Einhalt bot und die Impresarii in den wirtschaftlichen Ruin trieb.
Der visuell animierende, kaleidoskop-artige Aufbau der Schau führt nahtlos von Offenbach zu den österreichischen Meistern des Fachs über. Franz von Suppés „Boccaccio“ eroberte einst international die – heute würde man sagen: „Charts“ – weit heftiger als „Die Fledermaus“ von Johann Strauß. Die durfte nämlich wegen der Urheberschaft ihres Librettos ursprünglich gar nicht überall gespielt werden. Von Carl Millöcker, Carl Michael Ziehrer, Richard Heuberger geht es nahtlos zu Leo Fall, Emmerich Kálmán und Franz Lehár weiter. Es gab Leute, die sich dessen „Merry Widow“ an die fünfzig Mal gaben. „Die lustige Witwe“ ist als internationaler Erfolg vergleichbar mit „Sound of Music“.
Das große Geld wurde eben anderswo gemacht. In Berlin, vor allem aber „über dem Teich“. Die Musik mutierte in den USA zum Showbusiness mit großer Ausstattung und weniger amourösen Anspielungen. Die trieben dann 1938 vollends die Nationalsozialisten aus: Ein Schlag, von dem sich die Rezeption seither immer noch nicht erholt hat. Um Dekorationen für Hits wie Ralph Benatzkis „Das weiße Rössl“ weiter verwenden zu können, entstand flugs „Saison in Salzburg“. Zuvor gefeierte Künstler, die dazu imstande waren, emigrierten, viele starben in den KZs. Das deshalb komplett affichierte Buchenwald-Lied wäre aber doch entbehrlich gewesen.
Ernst von Strohheims Version der „Lustigen Witwe“ anno 1925 beweist, dass und wie sich der Film einst durchaus adäquat der Operette näherte. Dann haben Leute wie Willi Forst die Operette in jenen seichten Kitsch überführte, der dem Genre auch heute noch als Makel anhaftet. Versionen, die auf Stars wie Rudolf Schock zugeschnitten wurden, haben die Operette ebenfalls ihres ur-eigentlichen Charmes beraubt.
Letztendlich führt der Bogen der Ausstellung auch noch in unsere Tage, wobei die Sicht leider hauptsächlich auf Wien und Umgebung fokussiert wurde. Vergeblich sucht man beispielsweise nach einem Hinweis auf das Salzburger Landestheater mit Paul Linkes grandioser „Frau Luna“. Nichtsdestoweniger: eine zum Nachdenken anregende und sinnlich aufbereitete Schau. Instruktiv auch der mit umfangreichem Bildmaterial angereicherte, wohlfeile Katalog.