Hinter den Postkarten-Ansichten
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23/03/12 Alle müssen essen. Und alle werden krank, müssen dann ins Spital. „Donauspital“ heißt der neue Dokumentarfilm von Nikolaus Geyrhalter, der in Graz uraufgeführt wurde und am kommenden Sonntag (25.3.) spätabends in ORF2 gesendet wird.
Von Reinhard Kriechbaum
„Unser täglich Brot“ war ein viel beachteter Film von Nikolaus Geyrhalter, seine Beobachtungen in Sachen industrieller Nahrungsmittelproduktion. Ganz ohne Kommentar, ohne Wertungen, ohne Erklärungen. Das war man irgendwie schockiert, obwohl man sich all das ohnehin so und nicht anders vorgestellt hat. Der gleiche Effekt stellt sich auch in der abendfüllenden Dokumentation „Donauspital“ ein. Die „Gesundheitsmaschinerie“ Krankenhaus läuft auf Hochtouren. Roboter-Wägelchen befahren, wie von Geisterhand gesteuert, ein unterirdisches Reich. Sie karren Essen herbei oder befördern zu desinfektionierendes Material in Massen weg. Da läuft ein infrastrukturelles Wunderwerk am imaginären Schnürchen – so lange, bis die Technik defekt wird wie der Körper des Menschen. Der Schnitt von der Reparaturwerkstätte dieser automatischen TransCars ein paar Ebenen hinauf, in einen Orthopädie-Operationssaal, ins Reich der Wirbelsäulen-Klempner, macht Effekt. Aber genau von solcher Effekthascherei hält sich Geyrhalter im Grunde konsequent fern. Wenn die Pathologen ein Gehirn in Scheibchen schneiden, ist das nur ein Apercu wert. Nikolaus Geyrhalter beobachtet lieber und überlässt die Einschätzung dem Zuschauer. Die Unaufgeregtheit dieses Films hilft, etwas emotionsloser über die Massen-Patientenhaltung zu urteilen. Immerhin ist das Donauspital (SMZ Ost) eines der modernsten und bestausgestatteten Spitäler Europas. Die Chancen stehen bestens für den Patienten.
Die Spannung zwischen dem klaglos funktionierenden Werkel im Hinter- und Untergrund und der individuelle Zuwendung zum Patienten andrerseits ist allemal aussagekräftig – und die Sache geht im medizinischen Großbetrieb logischerweise in Richtung Fließbandarbeit, auch an den Krankenbetten selbst. Und am (Lebens-)Ende? Nein, der letzte Weg aus dem Verabschiedungszimmer erfolgt nicht via TransCar, da schieben zwei Helfer den Blech-Sarg pietätvoll an den Roboter-Gefährten vorbei. Ein letztes Mal Wiegen und Messen, und dann hinein in den Menschen-Kühlschrank, der tatsächlich so aussieht, wie man das aus Krimis kennt.
Salzburger Beiträge zum Genre Dokumentarfilm heuer auf der Diagonale: Andreas Horvath zeigt in einem zwanzigminütigen Beitrag, der ebenfalls ohne Worte auskommt, dass es Orte gibt, an denen die Uhr stehen geblieben ist. Einfach so. Furchtbar weit muss man gar nicht reisen, einfach die Donau hinunter bis zur Mündung.
Im Wesentlichen ein Kamera-Platz, ein Schwenk von hier nach da und wieder zurück. Keine hundert Meter Ufer, an dem eine Katze streunt. Fischer haben ihren Leiterwagen mitsamt Pferd abgestellt. Zwei Ziegen stoßen ihre Hörner gegeneinander. Die Zeit steht still. Auch wenn die Fischer zurück kommen, ihren bescheidenen Fang zeigen und aufs Leiterwagerl steigen, geht nichts weiter, denn da bricht eine Holzlatte am Wagen. Wiedermal steht die Partie.
„Postcard from Somova, Romania“, hat Horvath das ruhige Filmchen genannt. Idylle, Tristesse? Das ist Ansichtssache, und das herbstliche Grau-in-Grau an der windigen Schwarzmeerküste erleichtert die Entscheidung nicht.
Viel, viel mehr Farbe steckt in Günter Schwaigers „Ibiza Occident“. Eine Party-Insel, der Ort exzessiver Feste, ein Urlaubsparadies, in dem Träume und Schäume in handfeste Lustbefriedigung münden? Günter Schwaiger mag die Insel, er mag die Leute hinter der künstlich generierten Musik- und Partymaschinerie. „Ein Ort zum Spielen“, sagt eine der Befragten. Die Regeln dieses Spiels und die Menschen dahinter hat Schwaiger ein wenig genauer beobachtet.
Die Liste Salzburger Filme auf der Diagonale ist heuer überschaubar. Natürlich ist Othmar Schmiderers „Stoff der Heimat“ nicht nur bei der „Viennale“-Uraufführung, sondern auch bei der Grazer Aufführung heftig diskutiert worden.