Utopia der elektronischen Musik
NEU IM KINO / IBIZA OCCIDENT
17/01/12 Sehnsuchtsort und Utopia des Vergessens und der totalen Entspannung ist für viele Menschen Ibiza - das vermeintliche Aushängeschild für Drogen-, Sex- und Partyexzesse. Einen ganz anderen Zugang zu dieser Insel erschließt der Salzburger Regisseur Günter Schwaiger mit seinem neuem Film „Ibiza Occident“.
Von Ana Bilandzija
In „neuneinhalb Musikgeschichten“ werden mehrere Menschen der Insel porträtiert, die zeigen, was sich hinter der klischeehaften Fassade hedonistischer Gier nach Lustgewinn verbirgt: ein Ort voller Kreativität und Ideen, an dem die elektronische Musik ihre Ursprünge hat und der als Wegweiser für die internationale Verbreitung dieses Genres agiert. Leider wird Electro noch immer weniger als musikalische Kunstform betrachtet, denn als - gerade in Clubs und Discotheken - Untermalung von Drogenkonsum und rücksichtslosem Feiern.
Die Protagonisten des Films überzeugen vom Gegenteil. DJs erzählen von ihrer intensiven Auseinandersetzung mit der Musik, zeigen, wie sie unterschiedlichste Bausteine zu einer elektronischen Komposition zusammenfügen, die einen Schwall an Energie und Lust durch riesige Clubs fegen. Eine junge Frau begleitet diese Art von Musik mit ihrem Saxophon, was der Discoatmosphäre einen anderen, fast noch intensiveren Klang schenkt.
Ebenso wird vom starken Wandel Ibizas berichtet: So wohnten heute viel mehr Menschen auf der Insel. Das Verlangen der Touristinnen und Touristen nach Abwechslung und Neuem werde immer größer, besonders das Nachtleben sei im Vergleich zu früher sehr viel geldorientierter.
Trotz der negativen Aspekte dieser Veränderungen wirkt Ibiza beinahe wie ein kleines Utopia - besonders nachts. Sehr offen und liberal wird hier scheinbar mit Geschlecht, Herkunft und sexueller Orientierung umgegangen. Jeder Mensch findet hier seinen Platz, und besonders viele tun dies in der Musik und im Tanz, in Kunstformen, die auf viele Arten ausgelebt werden. Gerade das Nachtleben auf Ibiza definiert sich unter anderem durch eine vielseitige und mystische Ästhetik, die zum Feiern animiert, oftmals bis zu einer Art von Delirium. Begleitet wird dies von elektronischen Klängen, Erotik, natürlich auch von Alkohol und anderen Drogen. Hier finden die Menschen Zuflucht, wie Günter Schwaiger mit seinem Film „Ibiza Occident“ vermittelt, einen Ort zum kurzzeitigen Vergessen der Hektik des Tages - Touristen wie Einheimische. Elektronische Musik dient hierbei als kunstvolle Unterstützung und Bekräftigung.
Fazit von Günther Schwaigers Liebeserklärung an eine Insel: Ibiza ist und bleibt eine wertvolle Münze mit mehr als zwei Seiten. Einzigartige, weite Landschaften symbolisieren die Ruhe und stille Schönheit der Insel. Tagsüber finden sich die Menschen in ihrem üblichen Alltag wieder, der sich vermutlich nicht besonders von unserem unterscheidet – denn Stress und Unruhe herrschen überall. Die Nacht dient schließlich vielen als Ventil, um Ungewolltes aus ihren Köpfen und Herzen zu filtern. Auch wenn sich Ibiza zu einer geldhungrigen Tourismusinsel entwickeln mag, ihr wundervoller Ursprung und wahrer Charakter darf nie außer Acht gelassen werden. Denn zu außergewöhnlich sind ihre Einwohner, die Kultur und Kreativität - und ebenso wie die dort vorherrschende Toleranz und Offenheit.