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Circe ist am Ende ihrer Künste

REST DER WELT / WIEN / TELEMACO

20/02/12 Grosser Erfolg für Glucks Opernzwitter „Telemaco“ im Theater an der Wien, dirigiert von René Jacobs. - Zwei Suchende, zwei Liebesgeschichten, zwei Happy-Ends.

Von Oliver Schneider

Telemaco sucht seinen Vater Odysseus und findet ihn als Gefangenen von Circe auf der Insel Enaria. Merione, der Sohn des Kreter Königs Idomeneo, sucht seine entführte Schwester Antiope und findet sie ebenfalls dort. Sie heißt aber jetzt Asteria lebt; Circe hat ihr ihre Vergangenheit vorenthalten. Nach rund zweieinhalb Stunden können die beiden Freunde mit Odysseus und Antiope, die wiederum Telemaco liebt, in die Heimat zurückkehren, während Circe verlassen auf ihrer Insel zurückbleibt.

Gluck komponierte „Telemaco“ 1765 anlässlich der Hochzeit von Maria Theresias ältestem Sohn Joseph, dem späteren Joseph II, mit Maria Josepha von Bayern. Ein Erfolg wurde das Werk auf ein Libretto von Marco Coltellini nicht, sondern verschwand rasch in den Archiven. Bis letztes Jahr, als die  Schwetzinger Festspiele in Kooperation mit dem Staatstheater Nürnberg und dem Theater Basel für eine Wiederentdeckung sorgten.
Im Theater an der Wien hat sich jetzt der deutsche Regisseur Torsten Fischer das Werk gewagt. „Telemaco“ ist eine Mischung aus Reformoper und Opera seria, was möglicherweise auch ein Grund für die mangelnde Akzeptanz des Werks beim Publikum war. Wie in Mozarts „Idomeneo“ charakterisiert Gluck Circe, aber auch Odysseus, mit den musikalischen Mitteln der Opera seria, während er für die Jungen seinen reformatorischen Weg weitergeht.

Fischer und sein Ausstattungsteam (Vasilis Triantafillopoulos, Herbert Schäfer) entfernen das mythologische Korsett des Werks und lassen es fast zeitlos auf der nackten Drehbühne spielen, die sich über weite Strecken als im hinteren Teil steil nach oben ragende Scheibe präsentiert. Den Protagonisten und dem Chor verlangt Fischer beim Spiel damit einiges an Standfestigkeit ab. An der Decke schwebt eine ebenso grosse zweite Scheibe, in der sich das, was auf der Spielfläche geschieht, wirkungsvoll spiegelt.

Die schwarze Masken tragenden oder im Gesicht verwundeten Gefangenen Circes leben im roten Metallgestänge unter der hochgefahrenen Drehbühne, was einen blutigen Kontrast zum ansonsten in symbolhaftem Schwarz und Weiß gehaltenen Abend gibt.

In seiner hoch ästhetischen, durchchoreographierten Inszenierung interessiert sich Fischer für die Gegensätze zwischen Böse und Gut – symbolisiert durch Circe und Odysseus‘ Gattin Penelope, die fast permanent als ihre stumme Gegenspielerin Präsenz markiert oder die Weissagungen des Orakels spricht –, zwischen Liebe und Hass. Der Abend ist kurzweilig und intensiv, was am eindringlichen Spiel der Protagonisten liegt, die auch kleine dramaturgische Hänger des Werks zu kaschieren wissen.

Gesungen wird ohne Ausnahme auf hohem und dem Haus adäquaten Niveau. An erster Stelle sei Alexandrina Pendatchanska als Circe genannt, die für die dramatische Partie genau das richtige Stimmmaterial mitbringt und den gewaltigen Tonumfang der Partie mit Leichtigkeit meistert. In rasender, sinnloser Wut versucht sie sich gegen die Kraft der Liebe und des Guten zu stemmen, repräsentiert durch die Schauspielerin Anna Franziska Srna als Penelope. Pendatchanska zur Seite steht der in Wien beliebte Countertenor Bejun Mehta, der vor allem mit seinem lyrischen Ausdruck und seinem psychologische Facetten betonenden Spiel gefällt. Rainer Trost, der sich in die Reihe der baritonal timbrierten lyrischen Tenöre einreiht, ist sein wiedergefundener Vater. Wenn ihm auch ein wenig der Glanz in der Höhe abgeht, so punktet er umso mehr mit einer kräftigen, ausdrucksvollen Mittellage. Ihm gelingt ein eindringliches Porträt einen Menschen, der sich zwischen der Liebe zu Circe und Penelope hin- und hergerissenen sieht. Als Merione lässt die junge Deutsche Anett Fritsch aufhorchen, Valentina Farcas überzeugt mit silbrigem Timbre als Meriones Schwester Antiope.

Großes Lob gebührt natürlich René Jacobs und der Akademie für Alte Musik Berlin, die schlussendlich mit ihrem präzise artikulierten und spannungsvollem Spiel das wirksamste Plädoyer für Glucks zu Unrecht vergessenes Werk abgeben. „Telemaco“ braucht – zumal in einer so gelungenen Umsetzung – den Vergleich mit anderen Werken Glucks nicht zu scheuen.

Weitere Vorstellungen: 22., 24., 27. und 29. Februar, 2. März. - www.theater-wien.at
Bilderer: Theater an der Wien / Armin Badel

 

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