Shakespeare aus der Muppets-Loge
REST DER WELT / WIEN / FOOL OF LOVE
16/02/12 Franui ist vom Burgtheater geadelt worden. Nicht allein, sondern ein Ritterschlag gemeinsam mit dem deutschen Pop-Barden Karsten Riedel. Der wurde eingeladen, Shakespeares Sonetten einen neuen musikalischen Touch zu geben. Zu seinen Songs also die eigenbrötlerische „Banda“, die so heißt wie eine Bergalm aus ddem Osttiroler Innervillgraten.
Von Reinhard Kriechbaum
Mit dabei in dieser Aufführung vor dem roten, nur einen Spaltbreit geöffneten roten Vorhang: Dörte Lyssewski und Sunnyi Melles, Johannes Krisch, Tilo Nest und Nicholas Ofczarek. Sie singen viel, englisch vor allem, und sie stinken nicht ab neben dem zwischen Edelschmalz und Chanson-Tiefe lavierenden, stlistisch grenzgängerischen Karsten Riedel.
Oft sind die fünf Burgschauspieler aber bloß die Ghost-Speaker für die Hauptperson des Abends, die aussieht wie aus der Proszeniumsloge der Muppets entsprungen: ein kantiger alter Herr mit Riesenklappe, eine Handpuppe in Menschengröße. Nikolaus Habjan ist der Puppenspieler, der dem eigenwilligen alten Herrn seine linke Hand für ausdrucksvolle Gesten leiht und ihn nicht nur zu einem regen Mit-Spieler, sondern eben zur Titelfigur macht.
Nennen wir den kauzigen Alten mal der Einfachheit halber Shakespeare. Er schaut sich das Musik-Treiben merklich pessimistisch, manchmal griesgrämig an, sein kantig-zerfurchtes Gesicht kann aber genau so gut zufrieden wirken. Und wenn er uns was vormacht, entlarvt er sich augenblicklich.
Ist er etwa gar nicht Shakespeare, der namenlose alte Dichter der Sonette, der sich an einen ominösen „Geliebten“ wendet, außerdem an eine „dark lady“ und an einen „rival poet“? Vielleicht ist er ja doch nur der Herr Sedlacek, verhinderter Schauspieler und Burgtheater-Fetischist vom Stehplatz am obersten Rang, der ausgerechnet auf der geliebten Bühne sein Leben aushaucht. Herzinfarkt während einer Burgtheater-Führung, das hat Stil!
Besser, lebendiger, charismatischer kann man eine Puppe nicht führen. Das ist so gut und die Klangkulisse von Franui ist so Herz zerreißend schräg, dass man ohnedies nicht nach mehr fragt an dem anderthalbstündigen Abend. Wie selbstverständlich doch Texte aus dem späten 16. Jahrhundert und saftiger Pop zusammenwachsen. Um die kleineren und größeren Fußangeln, das Hinterhältige, die Zwischentöne auszumachen, braucht es freilich nicht nur Ohren, sondern auch erheblich literarisches Sprachverständnis. Was das angeht, ist die tendenziell bukolisch daherkommende Aufführung so anspruchslos nicht, wie sie sich ihrer äußeren Gestalt nach gibt.
Das Vergnügen ist freilich grenzenlos, wenn sich das Blatt ganz offen wendet, zum bärbeissigen oder clownesken Satyrspiel. „In Shakespeares Dramen sterben Menschen wie Puppen – aber Puppen sterben besser“, sagt der Alte, und er führt das gleich vor, röchelt sein Leben aus als Julius Caesar, als Kleopatra und als Julia. Da klopft sich das Publikum auf die Schenkel, so wie in jener Szene, da der Herr Sedlacek, der Burg-Mime in tiefster Seele, befindet: „Es ist ein starkes Zeichen von Talent, im Reinhardtseminar nicht vorsprechen zu dürfen.“
Michael Schachermaier und Matthias Hartmann haben „Fool of Love“ in Szene gesetzt, Franui, die Schubert, Brahms und Mahler so frappierend neu eingekleidet haben, agieren zwischen Jazz und Tango, zwischen Folk und Pop – und wied man das bei ihnen kennt und schätzt, geht jede Nummer, geht jede Melodie ein wenig anders aus, als man es bei den ersten Tönen erwarten würde.