Europas Chöre sind weit voran
REST DER WELT / GRAZ / CHOR-WM (2)
20/07/11 Graz war eine Woche lang von einer Chorwolke erfasst, fanden doch zeitgleich die erste Chorweltmeisterschjaft für die Jugend und der Zweite Grand Prix der Chormusik statt.
Von Wolfgang Stern
Je zwei Sieger stellten bei der 1. Chorweltmeisterschaft in verschiedenen Kategorien Chöre aus Tschechien und der Türkei, je ein Sieger kam aus Ungarn, Weißrussland, Deutschland und Österreich. Die einzigen Chöre mit mehr als 90 von 100 möglichen Punkten waren CantAnima aus Graz und der BUMC Jazz Choir aus der Türkei. Sieger beim Grand Prix der Chormusik wurden drei Chöre aus Tschechien und je ein Chor aus Ungarn, Schweden, Bulgarien und wieder CantAnima aus Österreich.
Ein Vergleich tut immer gut, ebenso die Standortbestimmung, wo man sich mit seinem Chor international einreihen kann. Diesmal in Graz waren es "Herzogspiele". Franz M. Herzog, beim Veranstalter Interkultur auch einer der künstlerischen Direktoren, saß diesmal nicht in der Jury, sondern ließ sich mit seinem Chor CantAnima, dem Landesjugendchor Steiermark, in zwei verschiedenen Kategorien bewerten, machte beim Eröffnungskonzert und bei der FilmHarmonie, einer Show mit alten Filmen und dazu passender Livemusik, mit und gestaltete überdies zusammen mit dem Raschér Saxophone Quartet noch eines der Galakonzerte. CantAnima erreichte bei der Chorweltmeisterschaft mit 94,38 Punkten die höchste Wertung aller bewerteten Chöre und zeigte, dass Österreich mit seiner Chorqualität durchaus weltweit mithalten kann, ja diesmal sogar eine führende Rolle übernehmen konnte.
Folklore war eine eigene Kategorie - ein Begriff, der kaum objektiv beurteilt werden kann. Wenn eine chinesische Gruppe kleiner Kinder mit einer absolut traditionellen Folkloregruppe aus Rumänien (mit Heugabel und Getreideähren), einer türkischen oder einer tschechischen Gruppe mit viel Choreographie verglichen werden und dabei noch ein Sieger nominiert werden muss, dann scheiden sich sicher die Geister, noch dazu bei einer internationalen Jury. Apropos Jury: Hochkarätige Besetzungen waren sicher gegeben mit Robert Sund aus Schweden oder dem Südafrikaner und Weltklassechorleiter André van der Merwe. Österreichische Jurymitglieder waren Inès Reiger, Gertraud Zwicker, Lorenz Maierhofer, Edgar Wolf und Michael Grohotolsky.
Graz gab eine Chance, phantastische bei uns unbekannte Chorliteratur kennen zu lernen. Wer kennt bei uns schon Namen von Komponisten wie Shui-Long Ma, Hasan Ucarsu, Masis Aram Gözbek, Ola Gjeilo, Einojuhani Rautavaara oder David Wikander? Und sie alle haben teils großartige Beiträge zum vokalen Musizieren geliefert. Ebenso interessant waren für den Fachbesucher sicher die Auftritte der einzelnen Chöre in ihrem Outfit oder besonders der lockere oder doch noch sehr im Osten verbreitete dominante Auftritt der Chorleiter und deren eher distanzierte Kontakt zu ihren Schützlingen.
Interkultur hat sich zu einem führenden Veranstalter für Chorwettbewerbe gemacht. Die Zahlen zeigen das. In Graz war es die bereits 115. Veranstaltung. Der Verein, so bezeichnet man sich, weitet sich immer mehr aus und organisiert schon Wettbewerbe, die früher einmal eigenständig gearbeitet haben. Allmählich wird es schwierig, noch einen Überblick über den angebotenen Wettbewerbsdschungel zu behalten.