Breughel-Fantasy-Show auf der Seebühne
BREGENZ / DER FREISCHÜTZ
21/07/24 Im letzten Jahr der Intendanz von Elisabeth Sobotka wird Carl Maria von Webers Der Freischütz auf der Seebühne gezeigt, zum ersten Mal dort. Philipp Stölzl macht daraus eine effektvolle und an Action reiche Show, in der die Musik nur noch ein Element des Spektakels ist.
Von Oliver Schneider
Die deutsche romantische Oper par excellence. Romantik strahlt auch die Bühne aus, zumindest so, wie man sie von Breughel oder aus Fantasy-, Mystery- oder Horrorfilmen kennt. Philipp Stölzl, der nach Rigoletto 2019 bereits zum zweiten Mal auf der Seebühne inszeniert, ist in der Bühnen-, Film- und Videowelt gleichermaßen zu Hause und zaubert ein im Schnee versinkendes Dorf an einem See auf die riesige Seebühne. Mit windschiefen Häuschen, die für die Trostlosigkeit und Armut nach dem Dreißigjährigen Krieg stehen.
Die aus heutiger Sicht abstruse Geschichte und die unzeitgemäßen Dialoge haben Stölzl und sein Dramaturg Olaf A. Schmitt kurzerhand modernisiert und gleichzeitig den schwarzen Jäger Samiel zum spielmachenden Teufel aufgewertet (Moritz von Treuenfels), der in Versen sprechend durch den Abend führt und zu guter Letzt auch den größten Applaus für sein Spiel erhält.
Das Orchester unter Enrique Mazzola spielt in Bregenz im Festspielhaus und wird mit recht hoher Qualität nach draußen übertragen. In der Ouvertüre klingt im Block F in der Mitte manches noch ein bisschen dumpf und nicht ganz präsent. Im Laufe des Abends gleicht sich das aber aus – oder man gewöhnt sich an die Freiluft-Akustik. Schade ist, dass die Ouvertüre nicht zu Ende gespielt wird. Grund ist, dass das Ende nicht zur Bebilderung passen würde. Dem aufgeklärten Ende misstraut Stölzl. Agathe wird zu den Hornklängen der Ouvertüre zu Grabe getragen und Max für seine Schandtat gehängt. Zumindest im scheinbar vorweggenommenen Ende.
Es wird auch weiter munter gekürzt, Anderes erklingt nur verstümmelt oder fällt ganz den Strichen zum Opfer. Dass gekürzt werden muss, ist klar, weil in Bregenz 120 Minuten ohne Pause durchgespielt wird. Aber ein bisschen mehr Feingefühl mit Webers Musik hätte man sich gewünscht, zumal der Teufel auch immer mal wieder die Handlung antreibend dazwischenfunkt oder noch zusätzlich eine Banda auf der Bühne musikalisch Gruselstimmung verbreitet. Die Wiener Symphoniker jedenfalls geben unter Mazzola ihr Bestes, der das Zusammenspiel zwischen Orchester im Haus und Solisten und Chor auf der Bühne souverän sicherstellt.
Max ist bei Stölzl kein Jägerbursche, sondern ein Amtsschreiber, der mit dem Probeschuss die Tochter Agathe des Erbförsters Kuno für sich gewinnen will. Ja eigentlich gewinnen muss, denn Agathe ist bereits schwanger von ihm. Dass ein Amtsschreiber kein guter Jäger sein kann, scheint für Stölzl glaubwürdiger zu sein als ein vom Pech verfolgter Jägerbursche, der einfach nicht mehr treffen will. Ein bisschen Diversity bringt dann Ännchen ein, die auch in Agathe verliebt ist und am liebsten mit ihr in die nahe Schweiz – wir sind am Bodensee! – flüchten will. Aus dem Fürsten Ottokar wird eine Persiflage auf Ludwig II von Bayern, der stilvoll im Schlitten vorfährt. Wasserballett, immer mal wieder Kämpfe im Wasser mit unfreiwilligen Bädern und tolle Licht- und Feuereffekte in der Wolfsschlucht-Szene sorgen dafür, dass es dem Zuschauer (einen solchen, nicht die Hörer hat man im Blick) keine Sekunde an Abwechslung mangelt.
Das Finale hat man ja schon am Anfang gesehen, aber so will das Festspielpublikum dann doch nicht nach Hause gehen. Kurzerhand muss der Teufel nachjustieren: Aus dem Eremiten wird eine Art Sarastro, Kaspar ertrinkt und es gibt doch noch ein Happy End für Agathe und Max. Ännchen muss leider alleine in die Schweiz fliehen.
Mauro Peter als Max überzeugt vor allem in den lyrischen Momenten, in denen sein samtiges Timbre zum Tragen kommt. Nikola Hillebrand besticht als Agathe mit Fülle, Klangschönheit und Kraft. Christof Fischesser gibt den Kaspar mit fesselnder Stimm- und Bühnenpräsenz. Und Katharina Ruckgaber als Ännchen gefällt mit gut fokussiertem, klangschönem Ton und aktivem Spiel. Erwähnt seien noch Franz Hawlata als Kuno und Liviu Holender als Ottokar. Gesungen wird in Bregenz im Übrigen in Alternativbesetzungen.
Alles in allem werden die Erwartungen derjenigen erfüllt, die sich einen unterhaltsamen, nicht allzu tiefgründigen Abend mit viel Aktionen, Lasershows und Musik erwarten. Die Stimmen und Gesichter um einen herum bestätigten das. Erstaunlich war dann aber doch, dass der Applaus in der besuchten zweiten Vorstellung recht kurz war.