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Charmant bis ordinär

LEHÁR FESTIVAL / WIENER BLUT

11/07/22 Das Lehár Festival Bad Ischl startete am Samstag (9.7.) mit der Johann-Strauss-Operette Wiener Blut. Regisseur Thomas Enzinger inszenierte ein turbulentes Spiel um Liebe und Triebe, Irrungen und Wirrungen. Die „Fake“-Operette – einst wegen Geldmangels kompiliertaus Versatzstücken – zündet wie eh und eh.

Von Elisabeth Aumiller

Erst durch gegenseitige Eifersüchteleien finden die Paare zusammen und auch Graf Zedlau und Gräfin verlieben sich ineinander, vereint durch das Wiener Blut, das vor allem in der Musik belebend pulsiert... Die glanzvollen Melodien von Johann Strauss wurden aus dessen Walzern einst von Adolf Müller arrangiert, während Viktor Léon und Leo Stein die Handlung dazu zur Operette einrichteten – in der Hoffnung, damit den Bankrott des damaligen Carltheaters zu verhindern. Strauss gab seine Einwilligung, starb aber vor der Uraufführung.

Das Arrangement wurde zum Erfolg bis heute und lässt heutigen Realisierungen die Möglichkeit zu eigenen Sichtweisen. Thomas Enzinger ist überzeugt, dass „der Wurschtl nie stirbt, ebensowenig die Operette“. Und so arrangiert er in launiger Wurschtlmanier das Szenario, dem er auch hintergründige Bedeutung beimischen möchte: Siegmund Freud ist als Haupt- und Randfigur allgegenwärtig und  hypnotisiert  auf seiner Couch Johann Strauss, der sich, ganz in goldene Farbe getaucht aus dem Wiener Strauss-Denkmal entstiegen,  zwischendurch auch  mal tänzerisch oder geigend in Szene setzt.

Der zweite Akt spielt auf dem Ball der Psychoanalytiker, bei dem Gehirne im Bühnenhimmel hoch über der Sause der Liebeleien schweben und auch als Mehlspeise serviert werden. Die aktualisierten Dialoge warten  mit  manchem lachkitzligen Kalauer auf. Ob allerdings die beiden „Drahtzieher“ Freud und  Strauss am Bühnenrand den Handlungsspielraum rund um  Liebesfreuden und -leiden und  galante Abenteuer moderner und heutiger machen, mag dahingestellt bleiben. Erst die Remasuri im dritten Akt heizt am Ende den Applaus so richtig an. 

Thomas Enzinger kann auf ein bewegliches Ensemble zählen, das die unterschiedlichen Anforderungen spielfreudig  umzusetzen bereit ist. Thomas Blondelle als Graf Zedlau macht,  hin-und hergerissen zwischen drei Frauen, eine wankelmütige Figur und ist in seinen Gesangspassagen durch die Mikroverstärkung meist präsenter als das Orchester. Seine angetraute Gräfin Gabriele hat in Sieglinde Feldhofer die echte Operettendiva par exzellence, mit betörendem Wiener Blut, Charme, Eleganz und fabelhafter stimmlicher Leistung.

Das Titellied Wiener Blut, eigner Saft, voller Kraft macht sie zum musikalischen Höhepunkt. Ein Vergnügen ist der Erzkomödiant Josef Forstner als Kagler, der Schwiegervater in spe, der trotz urigem Dialekt wortdeutlich artikuliert. Auch Reinwald Kranner überzeugt mit  vergnüglich-verzweifeltem Lustspielwitz.  Als sächsisches Original verunsichert Gerd Vogel alias Fürst von Ypsheim-Gindelbach die Szene. Martina Fender macht aus der Tänzerin Franziska Cagliari eine Schlampe  und stellt im Übertreiben  ihre  gesangliche Leistung in den Schatten. Auch Marie-Luise Schottleitner überzieht  in der Darstellung und bedient sich als Probiermamsell Pepi eines nachlässig artikulierten besonders ordinären Jargons.  Die Darsteller dürfen sich in kleidsamen Kostümen (Sven Bindseil) zeigen, die ihren Figuren Profil geben. Die Tänzerinnen und Tänzer leisten Sportliches  mit viel Temperament und Lust an der Freude. László Gyükér sorgt am Pult des Franz-Lehár Orchesters meist für moussierendes  Wiener Blut.

Lehár Festival Bad Ischl - alle Produktionen, Termine und Karten - www.leharfestival.at
Bilder: www.fotohofer.at
Zum dpk-Premieren-Überblick

 

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