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Apfel statt Wein und Kaffee

STICH-WORT

01/12/21 One apple a day keeps the doctor away... Vielleicht. Tatsache ist: Kein anderes Obst hat der Menschheit soviel Schererei gemacht. Adam und Eva – und damit uns alle – hat unzeitiger Konsum von Malus domestica das Paradies gekostet. Ein goldender Apfel zur falschen Zeit am falschen Ort einer Dame überreicht – es konnte nur die falsche sein – hat den Trojanischen Krieg ausgelöst...

Von Heidemarie Klabacher

Dennoch widmet sich die Nationalbibliothek im Rahmen der Reihe „Das besondere Objekt“ dem Apfel. Das Publikum hat es so gewollt: Es geht um das Textbuch zur barocken Festoper Il pomo d'oro von Antonio Cesti. Dieser fällt einem meist ja nur im Zusammenhang mit Innsbruck ein, Cesti-Wettbewerb und so.

Aber die Künstler waren ja schon damals ständig auf Tour zwischen den Höfen und Metropolen. Die Oper Il pomo d'oro – Der goldene Apfel – war für die Hochzeit Kaiser Leopolds I. mit Margarita Teresa von Spanien in Auftrag gegeben worden. Daran erinnert die Nationalbibliothek.

Veranstaltungen wie Feuerwerk oder Rossballett hätten in den Monaten nach der Ankunft der Kaiserin 1666 „den Hof und seine zahlreichen Gäste unterhalten“. Nicht nur aus Gastfreundschaft. Wohl mehr aus Kalkül. Mit solchen Prunkfesten sollte bewusst kräftig auf den Putz gehaut werden. Die Nationalbibliothek formuliert das eleganter: „Gemeinsam war all diesen Unternehmungen, dass sie, basierend auf einem affirmativen allegorischen Programm, die Grenzen des Machbaren und Finanzierbaren immer wieder neu ausloteten, um die Vorrangstellung des Kaisers zu unterstreichen.“

Nach diesem Schema sei auch Cestis Festoper Il Pomo d’Oro konzipiert worden, die „ein Theaterfest der Superlative“ werden sollte. „Nicht allein sollte das fünfaktige Werk wohl insgesamt mehr als acht Stunden dauern und durch zahlreiche Bühnenmaschinen beeindrucken – es sollte dafür auch von Lodovico Ottavio Burnacini ein neues Opernhaus errichtet werden.“ Nicht zuletzt wegen Verzögerungen „beim Bau dieses ersten freistehenden Theaters Wiens“ habe sich die Uraufführung hinausgezögert, „die schließlich erst am 12. und 14. Juli 1668, aufgeteilt auf zwei Nachmittage, anlässlich des Geburtstags der Kaiserin stattfand“. Leider wurde dieses Theater auf der Cortina, ein Holzbau, schon 1683 aus Brandschutzgründen wieder abgerissen.

Es war das spektakulärste Operereignis des 17. Jahrhunderts. Das erzählt Benedikt Lodes, der Direktor der Musiksammlung der Nationalbibliothek, in seinem Vortrag auf der Website der NB, der seit heute Mittwoch (1.12.) online ist: „Diese Oper war schon berühmt, bevor sie jemand gesehen hatte.“

Wir würden ja so gern auch einmal auf Boulevard machen, schaffen es aber leicher nicht einmal mit der Tatsache, dass die Partitur zum Pomo d’Oro aus der Schlafkammerbibliothek Leopolds I. stammt. Der Kaiser war einfach ein Musikfreund, der begabteste der komponierenden Habsburger. Er hat seine geliebte Musikbibliothek im Schlafzimmer aufgestellt.

Jede Oper braucht einen Text. Und das Textbuch – das Libretto ist von Francesco Sbarra – zu Cestis Apfel-Oper ist eine Rarität mit sensationellen großformatigen Kupferstichen: „Die Kupferstiche in diesem prächtigen Operntextbuch zeigen barocke Bühnenbilder, gestaltet von Lodovico Burnacini, und geben einen lebendigen Eindruck der szenenreichen Opernhandlung.“

Das mit dem goldenen Apfel hat vor, echt grob geschätzt dreitausend Jahren, zum Trojanischen Krieg geführt. Weil Männer bekanntlich nicht mit dem Kopf sondern – (!) – mit dem Herzen denken. Und daher hat der junge Hirtenprinz Paris, vor dem drei potentiell zürnende Göttinnen standen, den goldenen Wahlapfel gar nicht nicht unbedingt „Der Schönsten“ überreicht, sondern der Einfachheit halber jener Göttin, die ihm zum Dank die schönste Frau der Welt versprochen hat. Das war bekanntlich Helena von Troja, die – Schönheitsfehler – alldort mit Menelaos verheiratet war. Francesco Sbarras Libretto spielt mit dem Motiv der Wahl durch Paris. Um nicht Krieg schon beim Hochzeitsfest auszulösen, „erhält die junge Kaiserin den begehrten Preis“.

In der Reihe „Das besondere Objekt“ zeigt die Österreichische Nationalbibliothek Kostbarkeiten aus ihren Beständen, die aus konservatorischen Gründen selten präsentiert werden können. Die Objekte werden vom Publikum online ausgewählt und für jeweils zwei Monate im Prunksaal ausgestellt. Das Original des Textbuches ist nach den coronabedingten Schließtagen bis einschließlich 16. Jänner 2022 zu sehen. Neben der spannenden und umfassenden musik-historischen Einführung, ist nun auch das Video mit Benedikt Lodes Details zum Objekt über die Website der Österreichischen Nationalbibliothek abrufbar.

Il pomo d'oro konnte sich bei der Online-Abstimmung im Juli übrigens gegen die Kaffeekantate von Johann Sebastian Bach und den Wein von Alban Berg durchsetzen. Das Ergebnis der Online-Publikumswahl zum nächsten „Besonderen Objekt“ steht inzwischen auch schon fest. Thema war Frühlingsgefühle – Liebe und Literatur. Voraussichtlich ab 23. März 2022 ist
Friederike Mayröckers FÜR ERNST am 21.4.70 im Prunksaal der NB ausgestellt.

Bilder: Stills aus dem Vortrag von Benedikt Lodes / www.onb.ac.at (3); www.onb.ac.at (3)
Zum Beitrag, mit Videovortrag von Benedikt Lodes, über Il Pomo d’Oro auf der website der Österreichischen Nationalbibliothek - www.onb.ac.at

 

 

 

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