Keep calm Händel it
DONAU FESTWOCHEN / GREINBURG / SIROE, RE DI PERSIA
10/08/21 Keep calm Händel it! So das Schlusswort zu einer der kurzweiligsten wie amüsantesten Opernproduktionen seit langer Zeit. Zu danken ist das Vergnügen den donauFESTWOCHEN, die immer für Überraschungen gut sind. Es lohnt die Fahrt in den Strudengau! Zu entdecken ist die barocke Seifenoper Siroe, Re di Persia.
Von Horst Reischenböck
Was tun, wenn bei der Planung noch nicht feststeht, wie und ob ein Händel-Bühnenwerk unter derzeitigen Umständen verwirklicht werden kann? Seinezeit dauerte so eine Seifenoper gut und gern drei Stunden. Denn genau das war Siroe, Re di Persia HWV 24. Eine barocke Seifenoper.
Vokale Artistik plus Sex & Crime plus Intrigen, Verwirrung und Machtkampf. Gut kommt Englands Adel nicht weg. Ein Meisterwerk. Auch wenn sich Siroe gegenüber der zeitgleich erschienenen Beggar’s Opera nur schwer zu behaupten und die Produktion den Konkurs von Händels Royal Academy of Music, seinem Londoner Opernunternehmen, damals nur leicht verzögern konnte.
Kann – abgesehen von der genialen Musik, die neben Streichern und Cembali nur zweier Oboen und eines Fagotts bedarf – kann heutzutage so eine in der Antike angesiedelte Handlung noch interessieren? Schon Händels Librettist Nicola Francesco Haym hat die Vorlage Pietro Metastasios so stark gekürzt, dass dieser Johann Adolf Hasses Vertonung den Vorzug gab.
Was hätte der Librettist wohl von der Bearbeitung durch Regisseur Kobie van Rensburg gehalten, der die Handlung in eine Corona-Kurzfassung von anderthalb Stunden plus Pause verdichtete? Und dies ganz in Übereinstimmung mit dem musikalischen Leiter Erich Traxler, der im Sinne dramatischen Fortschreitens nicht nur Rezitative kürzte, sondern gelegentlich sogar zweite Teile der da-capo-Arien? Nun. Das fiel nicht auf und dagegen gibt’s auch nichts einzuwenden, zumal Bearbeitungen zur Barockzeit an der Tagesordnung waren. Wie allerdings ist Publikum unserer Tage dafür zu begeistern?
Die Premiere am 7. August war ein ausgelassener Triumph für ein halbes Dutzend erstklassiger Sängerinnen und Sänger, das mittlerweile 25 Jahre junge L’Orfeo Barockorchester unter der Leitung von Erich Traxler und den Regisseur und Ausstatter Kobie van Rensburg. Gespielt wurde, die Technik machte es erforderlich, diesmal im Rittersaal, nicht im Schlosshof
Regisseur und Ausstatter Kobie van Regensburg bediente sich dazu erneut der Chroma Keing-Technik, die er schon 2018 bei Händels Atalanta nutzte: Ein überdimensionaler zentraler Bildschirm, der auch der Inhalt samt gelegentlich durchaus deftigem Wortlaut Platz bietet, und beidseitig Blue-Screen-Wände, vor denen die Protagonisten in Kameras hinein agieren und in die Hintergründe einkopiert werden. Das verdeutlicht schauspielerische Mimik, ermöglicht aber auch einen fliegenden Teppich, schnappende Krokodile, in die Höhe sich windende Boas oder final den Ritt auf einem Elefanten. Damit lassen sich aber vor allem nahtlose Übergänge von einer Szene in die nächste realisieren.
Matthias Helm mit seinem ausdrucksstarken Bariton konnte in diesen Settings der Wut von König Cosroe wirkungsvollen Ausdruck verleihen. Sein Nebenbuhler ist der Sohn und Titelheld Siroe. Bei der Uraufführung wurde die Partie vom berühmten Kastraten Senesino gesungen. Auf der Greinburg gab sie als Debütant der zum Mitleiden lyrisch gefärbte Countertenor Clint van der Linde. Siroe liebt nämlich Emira, deren Vater von Cosroe getötet wurde. Sie schwört nun Rache, während gleichzeitig Laodice Siroe umgarnt. Der weist sie zurück, worauf sie sich rächt und behauptet, er habe sie vergewaltigt. (Fake-News und #metoo also schon im alten Perserreich, im 18. Jahrhundert von den berühmt miteinander konkurrierenden Francesca Cuzzoni und Faustina Bordoni genüsslich ausgespielt.) In Grein wurde das Gezänk zur Freude des Publikums durch Amelie Müller in den variierten da-capo-Teilen verführerisch glockenhell in die Höhe getrieben, während Mezzo Anestina Malm, als Emira vorerst als Hosenrolle, ihrem emotionalen Zwiespalt ebenso tiefen Ausdruck verlieh. Medarse, den vom Vater zunächst bevorzugten Bruder Siroes, gibt der andere Countertenor, Nicholas Hariades, bis in seine letzte Geste hinein schleimig und hinterfotzig. Zum Schluss geht aber, Arasse alias Philipp Kranjc mit fundamentalem Bass, Träger der Lilli-Lehmann-Medaille der Stiftung Mozarteum, alles aber gut aus: Weil er sich Cosroes Aufforderung, Siroe zu töten, widersetzte. Das alles in klang-rednerischer Delikatesse und darstellerischem Trubel.