asdf
 

Aktuell wie eh und je

DONAUFESTWOCHEN GREIN / ATALANTA

07/08/18 Die Donaufestwochen Anfang August präsentieren seit nunmehr 24 Jahren Lieberhabern mehrheitlich Raritäten. Heuer zum erst zweiten Mal ein Werk von Georg Friedrich Händel: „Atlanta“, in Co-Produktion mit den Händel-Festspielen 2019 in dessen Geburtsort Halle. Mit sparsamsten Mitteln umgesetzt, die vergnüglichste Barock-Oper seit langem.

Von Horst Reischenböck

Man könnte sogar einen Bezug zum Aufführungsort konstruieren, gehört doch die Greinburg der Familie Sachsen-Coburg und Gotha. Und Händel schrieb „Atlanta“ 1736 in London die Vermählung der Prinzessin von Wales Augusta von Sachsen-Gotha-Altenburg mit Friedrich Ludwig von Hannover, Englands Thronfolger.

Diesmal war nicht der eindrucksvolle Renaissance-Hof der Greinburg Schauplatz der Aufführung. Die Produktion wird vom Rittersaal des Schlosses ins Carl-Maria-von-Weber Theater übersiedeln. Dazu fand der aus Südafrika stammende Regisseur Kobie van Rensburg eine sowohl praktikable wie plausible Lösung in Verbindung von Blue-Screen-Technik mit Videoanimation. Was leider mitunter die Lesbarkeit der amüsant anzüglich und sarkastischen Textübersetzung behindere. Von einem Theaterpodium her sollte das besser ausfallen.

Die Mitte dominiert eine große Bildwand. Darauf wird die jeweilige Szenerie, jedoch ohne Tiefen-Perspektive, projiziert. Die darin eingeblendeten Sänger agieren vor blauen Hintergründen zu beiden Seiten und können solcherart über 30 Meter Entfernung problemlos miteinander agieren. Ihre dem Spiel absolut entsprechende Mimik als Ausdruck der Identifizierung mit den Charakteren rückt das Bild gelegentlich sogar übergroß ins Blickfeld.

Die Ausgangslage als „Spiel von Sein und Schein“ ist für Rensburg brandaktuell und immer wieder neu. Deswegen verlegte er die Handlung um König Meleagro und Prinzessin Atalanta, die sich, um allein ihrer selbst willen geliebt zu werden, als Hirte und Schäferin verkleiden, passend in unsere Zeit. „Arcadia.com“, angelehnt ans sattsam im Fernsehen beworbene „parship“, bietet Plattform und Möglichkeit, Identitäten auf PC zu verschleiern. So kommunizieren dann vorerst „Tirsi“ bzw. „Amarilii“ mittels Handy miteinander. Beide versuchen, das Monster, das Atalantas Reich bedroht – bei Rensburg ein Hai – als Taucher im Meer zu besiegen. Ihr gelingt es.

Auf der anderen Ebene ist Aminta, der sich später als Grillmeister fast das Gesicht verbrennt, im Clinch mit Irene, der Tochter seines Chefs Nicandro, Besitzer der auch Disco-Bar Arcadia. Sie darf als Tussi auch körperlich Reize neckisch in der imaginären Badewanne sitzend ausspielen. Aminta beflegelt sie, in jugendlichen Kreisen heute vielleicht nicht ungewohnt, sogar mit Aas und Luder. Die Royals sind die längste Zeit unfähig, ihre Zuneigung einzugestehen, lassen stattdessen einander via Aminta und Irene Geschenke zukommen. Letztlich finden sie aber doch zum „lieto fine“ zusammen, vom Flügel-bewehrten „Deus ex machina“ Merkur bekräftigt und so, wie es schon „Arcadia.com“ den Paaren prophezeite.

Händels schrieb meist für Kastraten in Mezzosopran-Lage. Sein Trumpf bei der Uraufführung von „Atlanta“ war das Debüt des blutjungen Sopranisten Gizziello als Meleagro, Ihm mutete er deshalb zum ersten und einzigen Mal sogar ein dreigestrichenes c zu. Amelie Müller klebt sich für den verkleideten König einen Schnauzbart ins Gesicht und vermittelt ausdrucksstark die Gefühle des Königs. Das ähnlich introvertierte Wechselbad in der Titelpartie ist bei Silvia Frigato, bekannt durch ihrer Mitwirkung bei den Salzburger Festspielen in Bibers Missa Salisburgensis, hervorragend aufgehoben. Besonders berührt sie stimmlich in Atalantas Lamento: der Vergleich eines gefangener Vogels, den optisch passend ein Papagei im Käfig durch zustimmendes Nicken des Kopfes begleitet. Maria Weiss legt Irene komödiantisch keck und genauso stimmlich virtuos an. Temperamentvoll ihr Zukünftiger, Tenor Christian Zenker als Aminta, und dazu Reinhard Mayrs profund sonorer Bass als Nicandro, der zum Schluss ins Gewand des Götterboten Mercurio schlüpft.

Sie alle werden getragen vom animiert und klanglich differenziert untermalenden L‘Orfeo Barockorchester, von Michi Gaiggs beschwörenden Händen geleitet. Eine hinreißend „coole“ Barockoper.

Weitere Aufführungen am 10., 11. und 12. August – www.donau-festwochen.at
Bilder: Donaufestwochen Grein / Reinhard Winkler

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014