Russisches Herz, St. Petersburger Seele
REST DER WELT / GRAFENEGG
23/08/17 Losgegangen ist's mit einem konzertanten „Freischütz“, Inhalt gelesen von Otto Schenk. Am ersten Wochenende war eines der renommiertesten und ältesten Orchester Russlands, die St. Petersburger Philharmoniker, beim Grafenegg Festival zu Gast.
Von Wolfgang Stern
„Ausverkauft“ heißt es inzwischen schon kurz nach der Vorstellung des Programmes für etliche Konzerte in Grafenegg. Natürlich vor allem dann, wenn Rudolf Buchbinder, der künstlerische Leiter des Festivals seit Beginn vor mehr als zehn Jahren, selbst mitwirkt. Auch diesmal war es so für das Konzert, in dem Buchbinder das Erste Klavierkonzert von Johannes Brahms spielte. Grand Senior Yuri Temirkanov (geboren 1938) ließ Buchbinder generös freie Hand in nahezu jeder Hinsicht, blieb stets mit seinem wegen Schlechtwetters im Auditorium musizierenden Orchester im Hintergrund und spannte nur gerade notwendige Fäden zwischen den Akteuren. Die Routine artete aber nicht in Schlamperei aus.
Es war der einzige nicht-russische Akzent in den beiden Programmen der St. Petersburger Philharmoniker. (Im ehemaligen Leningrad betont man übrigens nachdrücklich, man sei kein Russe, sondern St. Petersburger!) Einmal spielten sie im Auditorium, das zweite Mal am Wolkenturm. In der Suite aus dem Ballett Schwanensee war ein ganz anderer Chef am Pult zu erleben, elegant, ganz Sir, umsichtig – und nicht gerade zimperlich, wenn es um ein paar mehr Dezibel ging. Tschaikowsky am ersten Abend, Rimski-Korsakow, Prokofjew und Mussorgskij am zweitem Abend, aber dann doch am Wolkenturm, also im schönen Ambiente des Grafenegger Schlossparks.
Vom eher Unbekannten zum Bekannten, so vielleicht ein Motto zum zweiten Konzert. Mit der Suite aus „Die Legende von der unsichtbaren Stadt Kitesch und der Jungfrau Fewronija“, so der Titel der vorletzten von insgesamt 15 Opern Nikolai Rimski-Korsakows, wurde man mit der russischen Volksseele konfrontiert. Eine starke Blechformation, dazu zehn Kontrabässe. Da wurde eine Klangwolke produziert, russischer nicht anmuten konnte. Für sich selbst hat Prokofjew einst sein 3. Klavierkonzert in C-Dur, op. 26 maßgeschneidert. Es ist einerseits eine Herausforderung für jeden Interpreten, andererseits liegen dem Werk interessante und dankbare Aufgaben zugrunde. Nikolai Lugansky, Sieger beim Tschaikowky-Wettbewerb 1994, übernahm für diesen Abend den Solopart und brillierte mit jedem kleinsten Detail. Technisch gibt es für ihn keine Hürde, die er nicht meisterte. Und der zweite Satz mit den Variationen: ein Spiel mit Herz und Gefühl!
Mit Mussorgskijs „Bildern einer Ausstellung“ wurden die Besucher – die Rasenplatzbesucher und die Picknicker im Liegestuhl im Park – schließlich wunschkonzertgemäß und auf bestem Orchester-Niveau bedient. Yuri Temirkanov zog für den offenen Raum alle Register.
Grafenegg Festival bis 10. September –www.grafenegg.com
Bild: Grafenegg Festival / Vladimir V. Postnov