asdf
 

Belcanto-Zauber ohne szenische Poesie

 

REST DER WELT / ZÜRICH / I PURITANI

24/06/16 Pretty Yendes Debüt in der Titelpartie von Vincenzo Bellinis „I Puritani“ ist das Ereignis der als Festspielpremiere deklarierten Neuproduktion von Andreas Homoki im Opernhaus Zürich.

Von Oliver Schneider

Vor dem Hintergrund des Religions- und Bürgerkrieges im 17. Jahrhundert in England soll die Tochter des republikanischen Cromwell-Anhängers Lord Gualtiero Valton (mit sonorer Kraft Wenwei Zhang) den Parteigänger Sir Riccardo Forth heiraten, liebt aber den königstreuen Anhänger der katholischen Stuarts, Lord Arturo Talbo. Valton gibt sein Ja-Wort zu dieser Liebesheirat und verärgert damit Riccardo. Natürlich gibt es weitere Komplikationen: Die gefangene Königin – die Vorgeschichte der Tötung ihres Gatten Charles I durch die Republikaner erzählt Homoki im einleitenden Soldatenchor – soll von Valton dem Gericht in London überstellt werden. Arturo erkennt aber die Königin und flieht mit ihr, worüber Elvira effektvoll dem Wahnsinn verfällt.

Die Bühne (Henrik Ahr) wird über fast die gesamte Spieldauer von einem dunkelgrauen Zylinder beherrscht, der sich mal schneller, mal langsamer geräuschvoll dreht. Ab und zu öffnet er sich, um Platz für den differenziert singenden und einsatzfreudigen Chor zu schaffen (Einstudierung: Pablo Assante). Oder um durch Stühle, ein Kerzenmeer, eine Art Scheiterhaufen von Elvira-Doubles oder herabhängenden Elvira-Puppen den Blick in das Innere der Personen – vor allem Elviras – zu gewähren. Dazu lässt Homoki die Protagonisten gut geführt und in historisierenden Kostümen (Barbara Drosihn) die Handlung erzählen. Aber ein bisschen mehr an Bildideen für das Auge und weniger Abstraktion würden dem Abend etwas von seiner szenischen Langatmigkeit vor allem vor der Pause nehmen. Gerade der Bürger- und Religionskriegshintergrund hätte doch dafür einen Aufhänger bieten können. Nur einmal hebt sich im Übrigen der Zylinder von der Bühne, nämlich wenn Elvira Arturo als ihren Geliebten wiedererkennt und dadurch wieder geheilt wird. Dass sich Homoki danach dem Happy End des Librettos verweigert, ist schlussendlich auch kein großer Gewinn für das Gesamtkonzept. Auch im wirklichen Leben gibt es doch manchmal Glück, oder nicht?

Lieber aber eine mutlose Inszenierung, als ein musikalisch unbefriedigender Belcanto-Abend. Und hier punktet das Opernhaus Zürich auf ganzer Linie. Generalmusikdirektor Fabio Luisi dirigiert bereits seine dritte Bellini-Oper in Zürich – nach „La Straniera“ und „I Capuleti e i Montecchi“. Er verleiht dem Abend mit der fast an allen Pulten sehr gut disponierten Philharmonia Zürich die nötige packende Impulsivität und gibt ihm Drive. Bellinis letzte, 1835 in Paris uraufgeführte Oper, ist vom Orchesterklang auch seine farbigste, und Luisi arbeitet die differenzierte Instrumentierung und die reichen Harmonien differenziert heraus. Prachtvoll gelingen die Vor- und Zwischenspiele.

Das berühmte Puritani-Quartett der Uraufführung – Giulia Grisi, Giovanni Battista Rubini, Antonio Tamburini und Luigi Lablache – hat in Zürich auf jeden Fall würdige Nachfolger gefunden. Die Entdeckung des Abends (für Zürich!) bildet Pretty Yende als Elvira. Sie gestaltet die Partie nicht nur, nein, sie lebt die in geistige Umnachtung fallende junge Frau jede Sekunde aus. Fast genauso souverän singt sie die Partie, brilliert auf Linie und in den Koloraturen, haucht den Fiorituren Seele ein und brilliert mit einem beeindruckenden Messa di Voce.

Neben ihrer Präsenz geht Lawrence Brownlee als Arturo leider ein bisschen unter. Zu Unrecht, denn er ist ebenso eine Idealbesetzung für diese fordernde Partie. Fast mühelos schafft er die Klippen sicher bis zum hohen F und gefällt mit dem freien und offenen Klang seiner Stimme. Michele Pertusi als in sich ruhender und helfender Onkel Giorgio und George Petean als leer ausgegangener Freier um Elviras Hand sind ebenso exquisite Besetzungen, deren Stimmen im finalen Duett des zweiten Aktes herrlich miteinander harmonieren. In der kleinen Partie des Sir Bruno Robertson lässt Dmitry Ivanchey aufhorchen, Liliana Nikiteanu hat einen stimmigen kurzen Auftritt als Königsgattin.

Weitere Vorstellungen am 25. und 29. Juni; 3., 7. und 10. Juli – www.opernhaus.ch
Bilder: Opernhaus Zürich / Judith Schlosser

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014