Die fliegenden Intendantinnen
REST DER WELT / HINTERGRUND / BAYREUTH (2)
26/07/12 Vielleicht prekärer noch als manche Regie-Entscheidung bei den Bayreuther Festspielen ist die teilweise desaströse musikalische Besetzung. Eva Wagner-Pasquier wird gerne als Sängerexpertin tituliert, aber warum eigentlich?Von Jörn Florian Fuchs
Zuletzt mitverantwortete sie etwa die Besetzung eines Nibelungen-Rings, der beim Festival von Aix herauskam und auch bei den Salzburger Osterfestspielen lief. Man hörte ein paar Allerweltsnamen und erlebte etliche, reichlich abgestandene Stimmen. Auch in Bayreuth herrscht zu oft bloßes Sängermittelmaß, zu dem man explizit auch Jonas Kaufmann zählen muss. Es mag ihn die Damenwelt noch so anschmachten, stimmlich bleibt er vielen Partien vieles schuldig. Seinen angestrengt kehligen Lohengrin gab/gibt er zudem auch noch im nahen München.
Lohengrins Wunschmaid Elsa sang/singt Annette Dasch. Sie ist eine charmante Darstellerin und TV-Gastgeberin („Annettes DaschSalon“), als Sängerin war sie bisher, nicht nur als Elsa, recht grenzwertig. Manchmal fallen in Bayreuth auch sämtliche Grenzen und jemand stürzt ins Bodenlose, wie Stephanie Friede als Venus im Tannhäuser 2011. Da war sie einem immensen Buhsturm ausgesetzt.
Weder bei den Inszenierungen, noch bei Sängern oder Dirigenten erweist sich Bayreuth momentan als Trendsetter. Allenfalls springt man auf einen schon ziemlich schnell fahrenden Zug auf. Andris Nelsons gab 2010 mit dem Lohengrin sein viel zu spätes Dirigierdebüt in Bayreuth, Kirill Petrenko soll nächstes Jahr einen neuen Ring leiten. 2013 wird Petrenko Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper, wo vermutlich auch einige Dirigate der Tetralogie auf dem Spielplan stehen. Immerhin hätte Bayreuth da knapp die Nase vorn.
2013, wenn sich Richard Wagners Geburtstag zum 200. Mal jährt, dürfte auch schon über die Verlängerung des Bayreuther Wagner-Duos entschieden werden. Eva Wagner-Pasquier tritt in der Öffentlichkeit kaum auf, man hört immer wieder von gesundheitlichen Problemen.
Katharina Wagner äußerst sich desto so lieber und sagte kürzlich, sie habe eventuell Interesse an einer Vertragsverlängerung, irgendwie schon, aber nur zu bestimmten Bedingungen etc. Dann erklärte sie, man plane bereits bis 2020 und überhaupt könne man jetzt noch gar keine eigene Handschrift erkennen, dazu seien sie und ihre Halbschwester zu kurz im Amt.
Tatsächlich machte sie aber eine Reihe von pompösen Ankündigungen, die weitgehend resultatlos im Sand verliefen. Weder gibt es die versprochene Akademie für Wagner-Gesang (2013 sollen immerhin zwei Meisterklassen stattfinden), noch wurden Ergebnisse bezüglich der Festspielgeschichte zur NS-Zeit geliefert. Letzteres mag auch an der Weigerung mancher Mitglieder der weitläufigen Wagnerfamilie liegen, den Historikern endlich alle relevanten Dokumente zur Verfügung zu stellen. (Erfreulicherweise widmet sich heuer eine Ausstellung verfolgten jüdischen Wagner-Sängern, allerdings wurde sie schon an mehreren Orten zuvor gezeigt und ist somit nur eine Art Gastspiel.) Lediglich die im Vorfeld viel beworbene Reihe „Wagner für Kinder“ existiert und hat bisher recht gut funktioniert. Und nicht zu vergessen die Direktübertragungen auf den Bayreuther Volksfestplatz – Wagner für alle mit Bier und Bratwurst. Für 2012 fehlt jedoch ein Sponsor und das Ganze fällt somit aus.
2013 erklimmt Regie-Berserker Frank Castorf den Grünen Hügel und legt seine Deutung des Rings vor. Dazu kommt ein umfangreiches Rahmenprogramm, so werden zum Beispiel Wagners frühe Opern Rienzi, Die Feen und Das Liebesverbot in Kooperation mit der Oper Leipzig (ebenfalls eine Wagner-Stadt) herausgebracht. Castorf war Einspringer für zahlreiche Regiekandidaten, die in letzter oder vorletzter Minute das Handtuch warfen. Der Witz dabei: Wohl nur ein Langstreckenläufer wie Castorf, der sein Publikum gern mit eigenwilligen Klassikerbearbeitungen in Marathonlänge herausfordert, ist es zuzutrauen, rund sechzehn Stunden komplexes Musiktheater binnen so kurzer Vorbereitungszeit überhaupt zu wuppen. Mit Wagner hat sich Castorf bereits in eher flauen Hauruckarbeiten befasst, die zwischen Operntrash und Schreitheater schwankten. Er hat aber auch schon echte Oper inszeniert, zum Beispiel Bergs Wozzeck oder Rihms Jakob Lenz bei den Wiener Festwochen. Diese gelungenen, weil sehr konzentrierten Arbeiten überschritten indes nie die Länge eines durchschnittlichen Spielfilms.
Wenn dieser Festspielsommer überstanden ist, dann geht es für Katharina Wagner übrigens sofort stressig weiter: Sie inszeniert eine Kurzfassung des Rings in Buenos Aires und soll dafür, wie man hört, rund 190.000 Euro Honorar bekommen. Davon kann Frank Castorf vermutlich nur träumen, die Festspiele zahlen bekanntermaßen eher bescheiden. (Ende)