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Oper statt Ball spielen

REST DER WELT / MACERATA

17/08/11 „Den Italienern ist die Oper sehr wichtig“, so der Intendant des Opernfestivals von Macerata Pier Luigi Pizzi. Seit 2006 leitet der gelernte Bühnenbildner (ab 1951 bei Giorgio Strehler) das im 47. Jahr stehende Sommerspektakel in der Region Marken.

VON WOLFGANG STERN

altGespielt wird in der Sferisterio, einer lang gestreckten halb ovalen Arena, die einen ganz anderen Zweck als Musiktheateraufführungen verfolgte. Sphaeristerium bedeutet so viel wie Ballspielsaal. Und diese Arena wurde auch für den „Ballone a Bracciale“ in den Jahren 1819 bis 1829 gebaut, eben für ein traditionelles Ballspiel der Region. Die "Zweckentfremdung" führte dann zu einem der renommiertesten Opernfestivals Italiens. Und nun steht diesem jährlich im Juli und Beginn des August stattfindendem Opernfestival einer der bedeutendsten Opernfachleute vor, der 1930 in Mailand geborene Pier Luigi Pizzi, der über ein Architekturstudium zum Theater kam. Als Bühnen- und Kostümbildner und seit seinem Regiedebüt 1977 in Turin mit Mozarts Don Giovanni ist der Allrounder nahezu überall zu Hause, von der Scala über Burgtheater, Staatsoper und Covent Garden bis hin zu „seinem“ Festival in Macerata, wo er auch in diesem Jahr in Verdis "Maskenball" für Regie, Bühne und Kostüme verantwortlich war.

altPizzi nutzte die riesige Mauer für Projektionen. Dazu bewegen sich unauffällig und in dezentem Grau gekleidet zwei Kamerateams durch das Geschehen, deren Großformatprojektionen verstärkende Wirkungen erzielen und an die Zeit des Stummfilms mit Liveorchester erinnern. Auf der Bühne selbst kommt man dadurch mit wenig Utensilien aus. Einerseits raffinierte Beleuchtung, andererseits eben die drei Projektionsfelder - die Hauptakteure jeweils in der Mitte, das restliche Geschehen zweimal an die äußeren Seiten an der Wand – vermischen geschickt Film und Livetheater und sind eine akzeptierbare Lösung in Hinblick auf die 90 m breite Mauer.

Pizzis Idee „weg von den großen Namen“ geht in der musikalischen Umsetzung teilweise auf. Er ist immer wieder auf der Suche nach Talenten, teils notgedrungen, da auch in Italien der Sparstift angesetzt werden muss. (Man erinnert sich noch an Zeiten in Macerata, wo höchste Gagen bezahlt wurden.)

So konnte man in Macerata  die erst 26jährige Teresa Romano als eine junge agile Amelia hören, auf die man in Zukunft setzen kann. Einen großartigen und wohl allen Ansprüchen einer Freiluftaufführung entsprechenden Pagen Oscar spielte und sang Gladys Rossi, während Stefano Secco (Riccardo) und Marco di Felice (Renato) eher nur Teilerfolge zuzuschreiben sind. Stimmgewaltig dagegen wieder die Napoletanerin Elisabetta Fiorillo als Wahrsagerin Ulrica.

altPaolo Carignani sorgte für eine saubere Umsetzung der Partitur im Orchestergraben, in dem das Fondazione Orchestra Regionale delle Marche mit vielen jungen MusikerInnen die eigentliche Überraschung war.

Waren es beim "Maskenball" in erster Linie nur farblose Militäruniformen, sieht man von den schönen in rot gehaltenen Damenkleidern ab, so entfaltete sich im "Rigoletto" eine wahre Farbenpracht bei den Kostümen. Wesentlich aufwändiger konnte hier Massimo Gasparon sein Kozept umsetzen, wobei mit einer kleinen Drehbühne vor der hohen Mauer die einzelnen Schauplätze der Handlung entsprechend bildlich dargestellt waren. Andrea Battistoni war ein überagiler „direttore“, eine zündende Wiedergabe war sicher. Zudem stand ihm eine ausgezeichnete Sängerriege zur Seite. Der Alfredo-Kraus-Schüler Ismael Jordi (Herzog) und Giovanni Meoni (Rigoletto) ließen keine Wünsche offen. Dèsirée Rancatore begeisterte als Gilda, auch  weitere Rollen waren mit Alberto Rota (Sparafucile) und Tiziana Carraro (Maddalena) bestens besetzt. Nicht unerwähnt sollte der Coro Lirico Marchigiano „V. Bellini“ bleiben, der in beiden Opern ausgezeichnet disponiert und diszipliniert agierte.

Macerata wird 2012 in seine 48. Saison gehen. Pier Luigi Pizzi wird sich trotz Sparmaßnahmen um den Weiterbestand des Festivals kümmern. „Ich höre Vorsingen und Vorstellungen weltweit, um Talente entdecken zu können“, so der 81jährige Intendant eines Opernfestivals, das im Vergleich zu Verona noch richtig familiär wirkt. Und wenn man einmal die weite Reise in die Marken antritt, dann sollte man sich unbedingt auch Zeit nehmen für das wunderbare Hinterland westlich von Macerata. Zudem hat fast jeder kleine Ort hier sein eigenes Theater oder sogar Festival.

Infos zum Opernfestival von Macerata unter: www.sferisterio.it. Kartenpreise von 15 bis 150 €
 Bilder: Alfredo Tabochini

 

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