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Herr und Hund - aber kein Idyll

REST DER WELT / ROM / HENZE-URAUFFÜHRUNG

18/01/10 Hans Werner Henzes „Immolazione“ wurde konzertant in Rom uraufgeführt. Dieser „Opfergang“ ist ein ebenso bemerkenswertes wie merkwürdiges Stück auf ein Gedicht von Franz Werfel.

Von Jörn Florian Fuchs

18/01/10 Nach Italien reist man aus vielerlei Gründen, aber sicher nicht um neue Musik zu hören. Wirklich lebendig sind in der italienischen Konzertkultur eigentlich nur die Toten. Und diese Macht des Alten, Bewährten wirkt sich empfindlich auf die Programmierung im Kulturbetrieb aus. Selbst ein Salvatore Sciarrino hat in seinem Heimatland kaum Chancen – seine Opern laufen vorwiegend in der deutschen Halbprovinz von Mannheim bis Wuppertal.

Und auch dem Wahlitaliener Hans Werner Henze war bisher kein Uraufführungsglück bei den reaktionären Tifosi beschieden, erst in seinem 84. Lebensjahr gab das einzig ernstzunehmende römische Orchester, die Accademia Nazionale di Santa Cecilia, ein Werk in Auftrag. „Immolazione“ (Opfergang) ist ein ebenso bemerkenswertes wie merkwürdiges Stück.

Als Quelle verwendet Henze ein Langgedicht von Franz Werfel, das ihn schon seit Jugendtagen beschäftigt. In rauen, hektisch wechselnden Sprachbildern erzählt Werfel von einem homme-de-trottoir, der mit suizidalen Wünschen kämpft und plötzlich auf ein hübsches Hündchen trifft (mit dem schönen Namen Flocki). Zwischen den beiden entwickelt sich eine seltsame Beziehung, wie im Isolde-Rausch ereifert sich der Hund in weltumgreifenden Phantasien, sein ersehnter menschlicher Gegenpart antwortet darauf mit Steinwürfen, Tritten und einem finalen Ersäufnis. Der Rest ist Metaphysik reinsten Wassers, der Hundegeist spricht aus dem und übers Jenseits und wird fortan zum vielleicht ewigen, luziden Begleiter seines Herrn…

Henze hat Werfels dunkel glühende Kanonade in Dialogform gebracht und lässt die einzelnen szenischen Momente noch durch ein Vokalquartett knapp erläutern. Das Quartett wird am Schluss auch zu einer Schar Polizisten. Ihr Kommandant bedient sich sogar eines Schießprügels, um den nun vollends rasenden Verzweifelten zu stoppen.

Der bisweilen heftigen sprachlichen Brutalität setzt Henze eine organisch fließende, nachgerade spielerische Musik entgegen, die das Geschehen in eher freundliche Farben taucht. Vor allem der obligate Klavierpart ist locker, fast tänzerisch gehalten, das etwas erweiterte Kammerorchester (inklusive Preziosen wie Heckelphon und Wagnertuba) darf ausführlich atmen, flimmern, nur selten kräftig auftrumpfen, dagegen öfters ziemlich simpel illustrieren.

Da hört man dann etwa das springende, klingende Hündchen sehr deutlich hüpfen. Wenn der Hund aber singt, dann wird es berückend schön und zart, zumal Ian Bostridge seine Sache ganz wunderbar macht. Bostridges Herrchen hieß in Rom John Tomlinson und war eine Idealbesetzung, die Bandbreite reicht von expressiven vokalen Wutausbrüchen bis zu melancholischen Schattierungen (in dieser Reihenfolge). Santa Cecilia Chef Antonio Pappano dirigierte vom Pianoforte aus und sorgte für eine klare Ausleuchtung der insgesamt nicht allzu komplexen Partitur.

Nach der konzertanten Uraufführung in Rom lohnte sich nun vielleicht ein szenischer Blick auf „Immolazione“, am besten einer, der auf Düsternis-Pathos à la Neuenfels verzichtet.

Hoteltipp in der Nähe des Parco della Musica (Heimstatt der Accademia
Nazionale di Santa Cecilia): www.hotelastrid.com
Bilder: Santa Cecilia / Riccardo Musacchio

 

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