Der Sturm braust durch die Zeiten
FRANKFURT / THE TEMPEST
14/01/10Lang ist die Reihe der Komponisten, die Shakespeares Sturm vertont haben. Zu denjenigen, denen dabei Erfolg beschieden ist, gehört der Brite Thomas Adès. "The Tempest" als deutsche Erstaufführung mit Adrian Eröd in der Titelrolle.Von Oliver Schneider
"The Tempest" erlebte 2004 an der Londoner Covent Garden Opera seine umjubelte Uraufführung. In Frankfurt am Main fand am Sonntagabend (10.1.) die deutsche Erstaufführung statt.
Prospero, der entmachtete Herzog von Mailand, der mit seiner Tochter Miranda auf eine Zauberinsel geflohen ist, ist bei Regisseur Keith Warner ein Mann im Spätherbst seines Lebens, das er Revue passieren lässt. In einer Zelle verfasst er seine Memoiren auf einer mechanischen Schreibmaschine. Den Blick nach Außen ermöglichen große runde Ausschnitte in den drei abschließenden Wänden und in der Decke des Würfels (Bühnenbild: Boris Kudli?ka). Wenn Prospero Miranda von den schiffbrüchigen neapolitanischen Feinden berichtet, die er mit Hilfe eines Sturms auf seine Insel hat stranden lassen, so tauchen diese als weiß gewandete Traumwesen im hinteren Kreisrund auf. Video- und Lichteffekte tun das Ihrige, um das Zauberhafte der Geschehnisse zu illustrieren. So wie Adès musikalische Stilepochen zitiert und daraus eine neue, eigene Sprache entwickelt und Klänge farbenreich übereinander geschichtet hat, nimmt Jorge Jara mit seinen Kostümen in verschiedenen Epochen Anleihe und mixt: von der Renaissance über den Hochbarock bis heute.
Shakespeare hat mit Prospero seinen Faust geschaffen, was Adès musikalisch und Shakespeare-Spezialist Warner in der Personenzeichnung aufnimmt. Prospero ist der Bezwinger der Natur, dem der quirlige Luftgeist Ariel und der Hexensohn Caliban dienen. Doch wo die Liebe herrscht, endet seine Macht. Als Miranda sich in den zu den Schiffbrüchigen gehörenden Ferdinand verliebt, den Sohn seines Feindes Alonso von Neapel, bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich dem Lauf der Dinge zu fügen.
Im zweiten Akt wird der Blick auf eine amphitheatrale Bibliothek hinter der Zelle frei, in der der einsatzfreudige und präzise Chor sich fasziniert in die Lektüre von "The Tempest" vertieft (Einstudierung: Michael Clark). Gleichzeitig sind die Bücher auch die Quelle, aus der Prospero sein biographisches Wissen schöpft.
Um die Tragik von Prosperos Schicksal bis zum milden Happy-End nicht überhand gewinnen zu lassen, wirbeln die Traumwesen Ariel und Caliban die Menschen durcheinander. Sie sind die witzigen Spielmacher, die Warner liebevoll zeichnet. Das Gleiche gilt für die beiden gestrandeten Trunkenbolde Stefano und Trinculo, die es sich auf der Zauberinsel unter einer Palme mit einem kühlenden Drink gut gehen lassen.
Das spielfreudige Ensemble weiß auch musikalisch allen Ansprüchen zu genügen. Die Rolle des Ariel komponierte Adès für Cyndia Sieden, die nun auch in Frankfurt die aberwitzigen Koloraturkaskaden mit Bravur bewältigt. Adrian Eröd gibt mit Prospero sein Rollen- und Hausdebüt und reüssiert auf ganzer Linie. Den charakterlichen Spagat untermauert er mit differenzierter Gestaltung zwischen warmer Sonorität und metallischer Stimmgewalt vor allem im dritten Akt. Dem Hexensohn Caliban verleiht Peter Marsh seinen sicher geführten Charaktertenor. Schließlich ragt noch Claudia Mahnke als charismatische Miranda aus dem Ensemble heraus. Johannes Debus leitet das Frankfurt Opern- und Museumsorchester souverän und sorgt für eine intensive Wiedergabe der stimmungsreichen Partitur, in der die Balance zwischen der Sängerunterstützung und der orchestralen Entfaltung vorbildlich ist.