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Bleiben oder reisen? Bleiben!

MÜNCHEN / OPERN-EINAKTER

02/03/20 So eingeschränkt, wie das Sitzplatzangebot in der bayerischen Staatsoper mit Saisonbeginn ist, werden alternative Opern-Orte interessant. In der Allerheiligenhofkirche, mit aktuell 103 Plätzen, kann man zwei Einakter-Raritäten von Lorttzing und d'Albert entdecken: Die Opernprobe und Die Abreise.

Von Hans Gärtner

Raffiniert. In Corona-Zeiten zwei Opern auf einen Sitz zu bringen. Nicht hintereinander, sondern schön ineinander verschachtelt. Und schön kurz, ohne Pause. Neun Minuten mehr als die versprochenen neunzig. Was Andreas Wiedermanns Ensemble Opera Incognita einem brav Abstand haltenden und erst zu Beginn der Aufführung demaskierten Publikum bot, hätte gerne länger dauern dürfen.

Auf dem Programm also Albert Lortzings letztes musikdramatisches Werk Die Opernprobe, nach dessen Vollendung 1851 ihm, dem Meister von Zar und Zimmermann und Undine, ein Schlaganfall den Tod brachte. Außerdem Eugen d` Alberts Musikalisches Lustspiel Die Abreise, uraufgeführt 1889. Zwei Raritäten sondergleichen also. Wiedermann machte sie zu einem bezaubernden Augen- und Ohrenschmaus dreier exzellenter Musiker (Ernst Bartmann am Flügel, Julia Knapp mit der Geige, Alexander Weiskopf mit dem Kontrabass) und eines bestens aufgelegten, singspiel-freudigen Sextetts, kostümiert von Aylin Kaip und ins rechte Licht gerückt von Jan-Robert Sutter.

Das kann ja nur gut hinausgehen – der Auftritt der aufgekratzten, prächtig bei Stimme befindlichen Kammerzofe (Carolin Ritter) verströmt sofort Feierabend-Laune. Sie lädt zur Hauptprobe einer Opernaufführung beim Grafen Sowieso (Daniel Weiler), für dessen blonde Tochter Louise der stimmkräftige Tenor in Gestalt des Baron Reinthal (Thomas Paul) sich gleich (und auch im Folgenden) mächtig ins Zeug legt. Das Dienstpersonal des Gastgebers mit Diener Johann (Manuel Kundinger) und Adlatus Martin (Thomas Greimel) ist in Dauer-Erregung damit beschäftigt, sich in Liebesdinge zu verstricken. Unversehens wird zur Abreise gepfiffen.

Lortzings eklatantes Spieloperntalent in Ehren – die eigentliche musikalische Entdeckung ist, auch in szenischer Hinsicht, von der wunderbar hohen, vom aufgeregten Rot ins sanfte Himmelblau wechselnden Sichtziegel-Apsis der Münchner Allerheiligenhofkirche mitgetragen, das Dreipersonenstück des Tiefland-Komponisten Eugen d'Albert: Leuchtend-sehnsüchtige, blühende Klänge, gefühlvoll ohne Kitsch-Anflug vom Musiker-Trio zu Gehör gebracht, untermalt die Unterhaltung der beiden liebes-unsicher gewordenen ältlichen Eheleute, in deren Beziehung sich eine Männerfreundschaft einzuschleichen droht. So gern der Mann sich mit dem Spezi auf Reisen begeben wollte – am Ende bleibt er. Bleiben statt Reisen. Corona lässt grüßen. Endlich darf die stilsichere Ines Bergk ihren samtweichen Sopran verströmen.

Es fehlt nicht an Anspielungen auf Corona-Enge und die sich leidig ausweitenden politischen Querelen, der Regisseur hat Gags geschickt eingestreut (die treusorgenden Gattin schmuggelt in den Reisekoffer ihres Mannes warme Socken). Für diesen Abend gilt, im Gegensatz zum Bleiben des Gatten, die Empfehlung an das Publikum: Reise es an zu einer der beiden weiteren Aufführungen in der Allerheiligenhofkirche bei der Münchner Residenz, die längst nicht mehr als Kirche, sondern als Veranstaltungsraum genutzt wird.

Weitere Aufführungen am 5. und 6. September in der Münchner Allerheiligenhofkirche - opera-incognita.de
Bilder: Hans Gärtner

 

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