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Schlachtenfeuerwerk im Hörsaal 101

REST DER WELT / MÜNCHEN / RIENZI

02/09/16 Für ihre außergewöhnlichen Spielorte ist das Münchner Ensemble „Opera Incocnita“ seit gut einem Jahrzehnt berühmt-berüchtigt. Für Wagners Jugendoper „Rienzi“ wählten Regisseur Andreas Wiedermann und der musikalische Leiter Ernst Bartmann den Hörsaal 101 des Hauptgebäudes der Münchner Ludwig Maximilians Universität.

Von Hans Gärtner

Das Premierenpublikum – gut dreihundert Fans, ob nun Wagners oder Wiedermanns – brüllte vor Begeisterung. Zu erleben ist eine ebenso exzeptionelle wie experimentelle Aufführung der hochdramatischen Geschichte vom „Letzten der Tribunen“, der bombastischen, gut drei Stunden dauernde deutschen „Grand Opéra“ des jungen Wagner.

Hier der Plebs, da die Nobili. Vor deren Vormacht im Rom des 14. Jahrhundert will der päpstliche Notar, einer aus dem Volk, die Ewige Stadt befreien: Rienzi, wie ihn Wagner nannte. So leicht aber, wie sich der taffe Volksführer das denkt, geht's halt nicht – und das ziemlich verwickelte Drama nimmt seinen Lauf, letztlich zum Verderben beider Seiten. Bei Andreas Wiedermann entwickelt sich das Geschehen aus einem Ringvorlesungsprojekt der Universität zum Thema „Demokratie – schlägt Europas Herz rechts?“

Die Bezüge zur aktuellen Europapolitik – die Banner der einzelnen EU-Staaten bilden beidseitig die Flankierung des nicht ganz einfach zu kapierenden Geschehens in den ersten sechs für den Riesenchor und dessen Aktionen frei gehaltenen Hörsaalreihen – sind mal offensichtlich, mal etwas weit hergeholt. Vor allem ist eine Unmenge an die Frontwand projizierter Text zu bewältigen. Im Nu aber hat sich das „Volk“ geteilt, vermischt, mit Hütchen bewehrt und am Ende mit „Steinen“ aus Papierkugeln, die ihrem „Führer“ gelten. Vom Brand des Kapitols, vom „Weltenbrand“ überhaupt, ist weniger zu sehen als zu hören. Das Ganze ist, was Adolf Hitler 1929 über den Nürnberger Reichsparteitag notierte, an dem die „Rienzi“-Ouvertüre erscholl: ein „großes Schlachtenfeuerwerk“.

Gottlob lässt der zu Recht mit viel Beifall bedachte Rienzi-Darsteller Anton Klotzner nur hin und wieder an Hitler denken, der als „Pimpf“ vom Stehparkett der Linzer Oper aus den „Rienzi“ erlebt und ihn zu seiner Lieblingsoper erklärt hatte. Klotzner verdient alle Achtung ob seiner grandiosen tenoralen Heroik. Rienzis Schwester Irene, verbandelt und verstrickt mit dem Sohn des Adeligen Colonna (Martin Summer), wird von Tanja Christine Kuhn mit Akkuratesse und glühendem, sattem Sopran gesungen und hinreißend gespielt. An stimmlicher und darstellerischer Intensität ist ihr Carolin Ritter (Adriano) mit herrlich rundem, zündendem Mezzosopran ebenbürtig. Die von allerlei akademischen Overhead-Folien-Botschaften illustrierte Friedensbotschaft vernimmt man von der angenehmen Inger Torill Narvesen.

Wie der Kontakt des sechzig Personen starken, auch mit hohem Körpereinsatz alles gebenden Chores zum oben seitlich sitzenden, mit orchestraler Wagner-Feierlichkeit nicht sparenden, ihrem Leiter Ernst Bartmann treu ergebenen Orchesterlein (nur dreizehn Spielende) gelingt, ist wohl das Geheimnis derer, die das Wagnis „opera incognita“ eingingen.

Weitere Aufführungen am 3., 7., 9. und 10. September im Hörsaal B 101 (Bestelmeyer-Anbau an der Adalbert-/Ecke Amalienstraße - opera-incognita.de
Bild: Hans Gärtner

 

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