Es fängt mit dem Urknall an
LUZERN / FASNACHT
09/02/16 Um fünf Uhr morgens geht es schon los. Ein Schiff kommt aus der Luzerner Bucht zum Schweizerquai. Bruder Fritschi ist das imaginäre Oberhaupt der ältesten Zunft zu Safran. Diese wurde um ca. 1400 gegründet. – Wir haben uns mittreiben lassen in der Rüüdigi Lozärner Fasnacht.
Von Wolfgang Stern
Es ist Donnerstag vor dem Faschingsonntag, es ist der Güdisdonnerstag, der sogenannte schmutzige Donnerstag. Sonderzüge und Busse aus allen Richtungen fahren in die Stadt am Vierwaldstättersee, nicht zu normalen Zeiten, sondern frühmorgens, sodass man rechtzeitig zur Eröffnung der Fasnacht in der Altstadt sein kann.
Mit einer lauten Detonation, dem Urknall, beginnt das Treiben der Fasnächtler und aller anwesenden Guggenmusiken. Der Fritschivater und Zunftmeister der Safranzunft geleitet Bruder Fritschi, Ehrengäste und Mitglieder der Fritschifamilie (Bauern, einen Bajazzo, Narr, die Frau von Bruder Fritschi, u.a.) zum Brunnen des Kapellplatzes, wo es kaum ein Durchkommen gibt. Alle Besucher warten auf den großen Moment, den „Fötzelirääge“ – das sind explodierende Plastiksäcke mit Papierschnitzel – und das anschließende Orangenauswerfen.
Alles ist maskiert, egal, ob jung oder alt, man wird zum Narren und spielt diesen auch nach Belieben. Mit dabei sind die ersten Guggenmusiken, die vorbei ziehen und lautstark ihre Kostproben zu Gehör bringen. Lautstärke ist dabei das Um und Auf. Bei der Guggenmusik liegt der Ehrgeiz darin, möglichst knapp dran an den Tönen und doch voll daneben zu sein.
Es ist nicht eine Guggenmusik, die spielt, die gesamte Stadt wird in eine betörende Lärmkulisse getaucht, die Fasnacht nimmt noch in der Dunkelheit des Tages ihren Lauf, bei eher kühlen Temperaturen. Die engen Gassen der Altstadt sind die Kulisse für das Fest, das man erlebt haben sollte. Mehrere Stände sind schon beim Ausschenken, die ersten Caffees sperren auf und geben einem die Möglichkeit, etwas Warmes einzunehmen. Typisch ist da der „Caffee färtig“, ein gefährliches Gesöff aus ganz leichtem Kaffee, Schnaps und viel Zucker.
Noch ist es finster, an allen Ecken und Enden marschieren Guggenmusiken vorbei, Trommeln und viel Blech (bis zum Sousaphon) lassen den Lärmpegel sicher weit über 100 Dezibel steigen. Jede Guggenmusik arbeitet hart das ganze Jahr über an ihrem Erscheinungsbild. Teils sind die Masken und Gewänder wahre Kunstwerke. Es werden so an die 40 bis 50 Kapellen sein, die im Marsch durch die Stadt und auf eigenen Bühnen, aber auch später in Lokalen und Geschäften für Stimmung sorgen. Luzern feiert ausgelassen, die Schweizer zeigen es vor, dass die Teilnahme an der Fasnacht vor allem anderen steht und Ausgelassenheit so richtig zelebriert werden kann.
Es wird hell, die Gassen und Strassen sind voll von Konfetti und anderem Papier, einige wenige Alkoholleichen bleiben auch hier nicht aus. Der Vormittag vergeht rasch, immer wieder tauchen phantastische Kostüme auf. Ganze Familien beteiligen sich an diesem Narrentreiben.
Bis zum Umzug durch die Stadt am Nachmittag vergeht die Zeit rasch, dann erst zeigt sich das Ausmaß an Mitwirkenden und der Ansturm von Zuschauern. In rund zwei Stunden ziehen ca. 40 Guggenmusiken, diverse Faschingswagen und Einzeldarsteller entlang einer vorgegebenen Route , ehe es wieder in der Stadt bis nach Mitternacht bunt, eng und laut weitergeht. Kondition ist gefragt, will man mit den motivierten Zentralschweizern mithalten. Dabei war das erst der Anfang einer Fasnacht, die bis zum Faschingsdienstag anhält.. „E rüdige Fasnacht“ – in Luzern.
Noch einmal heiß her geht es dort dann am “Güdis-Mäntig“, dem Faschingsmontag oder Rosenmontag her: Tagwache ist diesmal erst um sechs Uhr. Und heute, am Faschingsdienstag sowieso. Das Wort Güdis kommt vom Wort Güdel und bedeutet Bauch oder Magensack. Damit meint man, dass man sich noch einmal so richtig den Bauch vollschlagen soll, ehe mit dem Aschermittwoch die Fastenzeit beginnt.
Am Montag gibt es in Luzern einen noch größeren Umzug und anschließende Ausgelassenheit, wieder bis nach Mitternacht. Ein Monstercorso ist der Hit des Dienstagabends, Guggenmusiken übertönen einander abermals und haben ihren Spaß dabei.
Die Besucherzahl ist an diesen Tagen enorm, man spricht von ca. 150.000 bis 200.000, die von diesem Fest angelockt werden und großteils aktiv mitmachen.
Größer noch als in Luzern ist die Basler Fasnacht, für die es noch nicht zu spät ist: Sie beginnt bei voller Dunkelheit der Stadt (das Licht ist ausgeschaltet, lediglich die Laternen der Gruppen, der Cliquen, geben Licht) um vier Uhr morgens am Montag nach (!) dem Aschermittwoch (Basel ist ein protestantischer Kanton) mit dem Morgenstraich. Die „drey scheenschte Dääg“ dauern genau 72 Stunden und enden wieder um vier Uhr morgens am Donnerstag mit dem Endstraich. Auch da ist also Durchhaltevermögen gefragt und frühes Aufstehen ebenfalls unerlässlich.