Von der Baustelle zum Dessert
SALZBURGER BIERKULTUR
03/06/13 Das beste Bier ist bekanntlich jenes, das an einem lauen Abend zusammen mit einer Laugenbreze unter Kastanienbäumen genossen wird. Mit den lauen Abenden will es heuer nicht so recht klappen. Statt Biergarten ist vielleicht der Besuch in einem der „Zertifizierten Betriebe der Salzburger Bierkultur“ angesagt.
Von Heidemarie Klabacher
Seit über sechshundert Jahren wird in der Stadt Salzburg Bier gebraut. Salzburgs Braumeister blicken aber weniger zurück auf eine traditionsreiche Vergangenheit, als voraus in eine stilvolle Zukunft. Sie wollen weg vom Baustellen-Image: Auf die simple Bestellung „Ein Bier, bitte“, müsse im zertifizierten Bierlokal eine umfassende Beratung erfolgen. Der Bier-Somelier soll mit gezielt subtilen Fragen die genauen Wünsche der Kunden eingrenzen und präzisieren – und natürlich das richtige Gebräu auch anzubieten haben.
Dass um den Wein (natürlich zu Recht) seit jeher ein Riesen-Rummel gemacht wird und die Sommeliers als Hohepriester des Gastgewerbes Kultstatus genießen, ist innovativen Braumeistern und Brauereibesitzern in aller Welt längst ein Dorn im Auge. Sie halten dagegen. In Salzburg etwa haben sich Brauereien und Braumeister mit namhaften Gastronomie-Betrieben zusammengetan und die Arbeitsgruppe „Salzburger Bierkultur“ gegründet. Das ist eine Kooperation der Brauereien Augustiner Bräu, Gusswerk, Spezialitäten Manufaktur Hofbräu Kaltenhausen, Stiegl, Trumer Privatbrauerei und Die Weisse mit der Tourismus Salzburg GmbH.
Aus Salzburg stammt übrigens auch der Sieger der „1. Österreichischen Biersommelier-Staatsmeisterschaft“. Markus Trinker ist Kreativbraumeister bei Stiegl. Theoretisches Wissen, praktisches Können und die Feinheit des Gaumens werden geprüft. Am 15. September ist – heuer in München – zum dritten Mal die alle zwei Jahre abgehaltene „Weltmeisterschaft der Sommeliers für Bier“. Markus Trinker ist dabei.
Jüngster Coup der ARGE Salzburger Bierkultur: die Auszeichnung von „Salzburger Bierlokalen“. Elf Salzburger Betriebe stellten sich bisher den Herausforderungen, bestanden die strengen Tests und erhielten das Prädikat „Zertifizierter Betrieb der Salzburger Bierkultur“. Das richtige Spülen der richtigen Gläser für das richtige Bier ist dabei noch das Einfachste.
Tatsächlich erhielten die teilnehmenden Gastronomiebetriebe in Obertrum zunächst eine umfassende Schulung: Themen wie Aufbau der Zapfanlage, Schankanlageneinstellung, Zapfen, Gläserpflege und Glaskultur wurden behandelt. Jeder Betrieb wurde verdeckt kontrolliert und erhielt eine Bierkultur-Plakette. Und die soll keineswegs nur ein Aushängeschild sein. Verständnis für Wesen des Bieres und fundiertes Wissen um seine Geschichte und Herstellung werden bei den Mitarbeitern vorausgesetzt. Eine umfassende Bierkarte versteht sich von selbst.
Ein achtgängiges Dinner mit „Weinbegleitung“? Das kann man in den Hauben- und Sterne-Tempeln jederzeit bekommen. Ein sechsgängiges Dinner mit Bierbegleitung ist viel rarer. Und - sofern man dabei nicht die „Maß“ zum Maß nimmt - ein erhellendes kulinarisches Erlebnis.
Wenn also heuer bisher schon nicht der Biergarten des Müllnerbräu, dann halt Müllner Bier Indoor: Ein Augustiner Märzen - „von Hand gebraut, im Steinkrug genossen, ein angenehm malziges, mit einer leichten Hopfennote abgerundetes Bier mit wenig natürlicher Kohlensäure“ – passt naturgemäß überall dazu. Bei einer Verkostung für Journalisten in der Friesacher Einkehr begleitete es unlängst mit viel Understatement ein Gerstlrisotto mit Chorizo (einer scharfen spanischen Wurst) und Neusiedlerseezander. Selbst der Gruß aus der Küche (Spanferkel-Hopfen-Spargelsülzchen mit Radieschensalat) hatte sein eigenes Bier an der Seite: einen Pfiff von der „Trumer Hopfenselection“, in der handgepflückter Hopfen aus dem brauereieigenen Hopfengarten sich mit der Aromahopfensorte „Spalter Select“ aus dem Mühlviertel bestens vereint.
Glacierte Kalbsleber mit Erdäpfel-Topinamburgröstl als erstes Hauptgericht - und dazu ein „Gusswerk Amber Ale“: Ein sehr trockenes wunderschön bernsteinfarbiges Bier mit einem (tatsächlich spürbaren) Citrus-Grapefruit Aroma, das der feinen doch geschmacksintensiven Leber elegant Paroli bietet.
Bier zu Fisch: Das ist kein Fauxpas mehr, zumal sich selbst die Wein-Inquisiton inzwischen von veralteten Dogmen (weißes Fleisch, weißer Wein) verabschiedet hat. So kommt beim Fischgang das Wallerfricassé elegant mit dem „Jubilator“ der Brauerei „Die Weisse“ daher: Mit diesem „großen“ Bier, einem Doppelbock, hat 2011 die Brauerei „Die Weisse“ ihr 110-jähriges Bestehen gefeiert. Trinkt man besser aus dem Stamperl – aber mit Genuss!
Bier hat immer auch mit Kirche und Kloster zu tun. „Fastenbiere“ gehören zu den feinsinnigsten Umgehungsmanövern strenger Regeln: „Zölibat“ hieß heuer das Fastenbier aus der „Stiegl-Hausbrauerei“, das denn auch nur in limitierter Edition erhältlich war. Zusammen mit schier schmelzend fein gebratenen Ochsenbackerl – ein Genuss. Und sogar zum Dessert findet sich ein passendes Bier. Zu einem feinen warmen Bitterschokoladenkuchen passt hervorragend ein „Strong Porter“ - etwa aus der auf 6.200 Flaschen limitierten Edition des Hofbräu Kaltenhausen. Ein Schluck in einem jener überdimensionalen Riedl-Gläser, die sonst schwerem Rotwein vorbehalten sind - elegant und originell.
„Zertifizierte Bierkultur“ hat schon was. Aber ein schlichtes Bier mit schlichter Brezn hat auch was...