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Operngenuss im weißem Carrara

OSLO / BOHEME / TRISTAN

14/03/12 Ähnlich wie in Sydney, liegt die Oper in Oslo am Meer - im Hafenbecken am Oslo-Fjord. Vor allem von außen beeindruckt der 2008 eröffnete 520 Millionen-Bau, das größte Kulturprojekt Norwegens nach dem Krieg, das vom Architekturbüro „Schneekappe“ entworfen wurde.

Von Wolfgang Stern

Es lohnt sich allein schon der Oper wegen nach Oslo zu kommen. Die Fassade des Gebäudes, dessen Dach man von zwei Seiten her begehen kann, besteht fast zur Gänze aus weißem Carrara-Marmor. Innen hat man sich bei Form und Größe an die Struktur der Semperoper angelehnt. Schade, denn auch in diesem Neubau gibt es infolge der U-Form bei 1358 Sitzplätzen etliche Sitze mit eingeschränkter Sicht. Geöltes Eichenholz macht den Innenraum recht dunkel. Wenn einmal die Bautätigkeit rund um das Haus beendet ist, wird die neue Oper Mittelpunkt eines neuen Stadtteils von Oslo sein.

Betrachtet man den Spielplan, so findet man hier das oft angewendete Blocksystem, das durch Konzerte und andere kleinere Veranstaltungen aufgelockert wird. Die rare Möglichkeit, den Besuch zweier Opernklassiker - La Boheme (letzte Vorstellung) und Tristan und Isolde (Premiere) - zu verbinden, ergab sich Anfang März. (Man sieht wieder einmal, wie verwöhnt man eigentlich als Opernbesucher vom Angebot in Wien oder in München ist.)

Stefan Herheim (geb. 1970 in Oslo) stellt die Boheme auf den Kopf und beginnt ohne Musik in einer Intensivstation. An die Geräte angeschlossen ist eine Frau mit Glatze, man hört die Geräusche einer Herz-Lungen-Maschine und sieht ein EKG. Momente der Verzweiflung. Ärzte und Pfleger sind anwesend, ehe die Musik beginnt.

Immer wieder wird die Krankengeschichte der Mimi eingeblendet. Ein Bett steht bis zum Ende auf der Bühne und auch der Tod tritt immer wieder auf, auch mit Geige. Mimi erscheint einmal real, dann wieder als glatzköpfige Doppelgängerin: Die Flucht vor der Realität gelingt eben nur teilweise. Stefan Herheims quasi psychologisches Drama regt zum Nachdenken an, Tod und Leben überlappen sich.

Effektvolle Projektionen und Lichtinstallationen (Anders Poll/Robin Hagen) unterstreichen das Musikalische im zweckmäßigen Bühnenbild von Heike Scheele. Das Opernorchester präsentiert sich unter Eivind Gullberg Jensen in bester Spiellaune. Die Sängerriege beweist Niveau. Diego Torre ist ein Rodolfo mit viel Schmelz. Vasilij Ladjuk (Marcello), Giovanni Battista Parodi (Colline) und Espen Langvik (Schaunard) geben sich sängerisch keine Blößen und sind auch spielerisch gut drauf. Marita Solberg ist eine hervorragende Mimi und Jennifer Rowley steht ihr als Musetta nicht nach.

Weitere Projekte von Stefan Herheim: Manon Lescaut (2012 in Graz), Salome (aus Salzburg 2013 in Oslo), Die Meistersinger von Nürnberg (2013 Salzburger Festspiele), Salome (aus Salzburg 2014 in Madrid).

Zwei Tage später also die Premiere von „Tristan und Isolde“. Interessanterweise nicht ausverkauft - im Gegensatz zum Sturm auf die Karten jeder einzelnen und besonders der letzten Boheme-Aufführung.

Auch steht ständig ein Bett auf der Bühne. Der Brite Daniel Slater stellt seine Produktion zwischen Leben und Sterben, Tod und Erlösung - beginnend auf einem Lazarettschiff. Tristan und Kurwenal spielen Schach. Das Schiff steuert wohl mit Autopilot. Dem großen Glück im Mohnfeld im zweite Akt folgt das Ende des verwundeten Tristan allein im Bett – isoliert.

Musikalisch aufregend leitet John Helmer Fiore sein eher jugendliches Opernorchester durch die fünf Stunden. Dabei kann er auf ausgezeichnete und gut vorbereitete Instrumentalisten zurückgreifen. Kein Schwachpunkt.

Stimmlich überragen diesmal die Frauen. Der Mezzo der Finnin Tuija Knihtilä in der Rolle der Brangäne hinterlässt den besten Eindruck Beneidenswert ihr warmes Timbre. Karen Foster ist eine stimmgewaltige Isolde, die ihrem Tristan Robert Gambill im zweiten Akt stimmlich eigentlich keine Chance lässt. Lediglich im dritten Akt zeigt Gambills gutes tenorales Vermögen. Ole Jorgen Kristiansen (Kurwenal) und Magne Fremmerlid (König Marke) sind Stützen der Aufführung und tragen entscheidend zum Erfolg bei.

Weitere Vorstellungen: 18., 21., 24., 28. und 31. März - www.operaen.no
Bilder: www.operaen.no / Erik Berg

 

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