Ein Klassik-Fundstück aus den Niederlanden
MOZARTEUM ORCHESTER / WILLEM DE VRIEND
23/04/10 Wer in unseren Breitengraden weiß über Niederländische Komponisten Bescheid? Gastdirigent Jan Willem de Vriend hatte am Donnerstag (22.4.) im Großen Saal des Mozarteums eine Rarität im Gepäck, die sechste von insgesamt sieben Symphonien des in Salzburg bisher nie aufgeführten Johann Wilhelm Wilms.
Von Horst Reischenböck
Zeitgleich zur Wiener Klassik nahe Solingen geboren, ließ sich der Deutsche mit 21 in Amsterdam nieder. Johann Wilhelm Wilms wurde Mitglied des „Koninklijk Nederlandsch Instituut van Wetenschappen, Letteren en Schoone Kunsten“, gewann 1815 den Wettbewerb für die neue Landeshymne, die - bis 1898 gesungen - auch danach noch Teil der Geburtstagsfeiern für Königin Wilhelmina bleiben sollte.
Zwei Jahre jünger als Beethoven, zeigte sich Wilms vorerst von diesem beeinflusst. Dann hat er die Kurve um diesen herum gefunden. Die d-Moll-Symphonie op. 58 hebt zwar noch mit einer punktierten Einleitung à la Joseph Haydn an, besticht dann jedoch mit ihrer eigenständig meisterlichen Verarbeitung der Themen. Exponiert geführt sind das Solohorn und die Holzbläsern, somit war das Werk eine wahre Fundgrube für die exzellent aufspielenden Mitglieder des Mozarteumorchesters.
Auch Schuberts Zweite Symphonie ist aus der Auseinandersetzung mit den Vorbildern hervorgegangen. Eindeutig noch Mozart-Idiom zum Einstieg, dann nach dem vorwärtsstürmenden Kopfsatz mit den Variationen an Haydn anknüpfend. Das kosteten die blendend disponierten Solobläser ein weiteres Mal genussvoll aus. Und dann galloppierte man mit dem stürmischen und daher längst nicht mehr tanzbarem Menuett wild dem Ende zu. Jan Willem de Vriend machte aus seinem Herzen keine Mördergrube, ließ energisch musizieren und scheute in den drei „vivace“ zu nehmenden Teilen auch nicht die „knallige“ Effekte in der Symphonie voller jugendlichem Ungestüm.
Späte Beethoven-Quartette oder Schuberts „Der Tod und das Mädchen“ werden gelegentlich chorisch ausgeführt - warum also nicht auch Carl Maria von Webers B-Dur-Klarinettenquintett op. 34? Über dem schön ausmusizierten Fundament durch 25 Streicher, mit Kontrabass-Verdoppelung der Cellostimme, konnte sich die Solistin Sharon Kam beseelt verströmen: mit geradezu betörend pianissimo verhauchenden Läufen, dazwischen, wie gefordert „kapriziös“ voller Schalk das noch so bezeichnete Menuetto auskostend. Und genau so hat Sharon Kam mit schier endlosem Atem virtuos und mühelos die technischen Anforderungen meisterte. Dafür wurde sie entsprechend anhaltend bejubelt.