Drei Märchen
SOLITÄR / CLEMENS HAGEN, KIRILL GERSTEIN
19/04/10 Überhaupt keine Frage: Musikhören macht mehr Spaß, wenn alle Stuhlreihen voll sind. Vielleicht ist dies sogar der entscheidende Punkt, warum der Kammermusikzyklus der Mozarteum Kultur GmbH im Solitär gar so gut läuft.Von Reinhard Kriechbaum
Natürlich: Ein Konzert mit dem Cellisten Clemens Hagen, eines "Lokalmatadors" also, ist quasi ein Selbstläufer. Trotzdem: An einem wunderschönen Freitagabend (16.4.), da ist es so gar nicht selbstverständlich, wenn gut 350 Menschen zusammenströmen. Und es haben ja auch die meisten bisherigen Termine des Zyklus "Romantische Klangwelten" - wir halten beim vorletzten - beachtliche Zuhörermengen auf die Beine gebracht.
Natürlich schielen andere Veranstalter am Ort ein wenig pikiert auf diese Konzertreihe, die auf universitärem Boden stattfindet. Also sozusagen "außer Konkurrenz", was merkantile Voraussetzungen anlangt. Man kann sich auch eine gewisse Großzügigkeit bei Freikarten leisten. Aber entscheidend ist ja doch, dass man damit ein Publikum anspricht, das für die Kammermusik schon beinah verloren galt.
Ein Musizieren "auf gleicher Augenhöhe" hatte das Programmbuch für den Freitagabend versprochen - und im Falle des russischstämmigen Pianisten Kirill Gerstein im Duo mit Clemens Hagen war das tatsächlich zutreffend. Beide haben ihre Karrieren in zartem Jugendalter gestartet. Gerstein hat seine erste internationale Auszeichnung als Elfjähriger gewonnen, er war mit Vierzehn der jüngste Student in der Geschichte des Berklee College of Music in Boston. Mit 28 wurde er Professor an der Stuttgarter Musikhochschule.
Debussys späte Sonate für Violoncello und Klavier war ein sinnlicher Einstieg. Schön, wenn man die Spannung des Aufeinandertreffens zweier gereifter Persönlichkeiten greifen kann. Das war bei Debussy so, vor allem aber in den "Drei Märchen (Pohádka)" von Leos Janacek. Zwei Mikromotive - ein kurzes, aber leidenschaftliches Aufflackern im Klavier, eine tänzerische Pizzikato-Einladung seitens des Cellos: Schon erstaunlich, was die beiden Musiker da jeweils mit akkuratem Ton, mit präzisen Klangvorstellungen gezaubert haben im zweiten dieser Charakterstücke, das sie in den Rang einer Komposition quasi mit Experimentalcharakter hoben. Schlicht, charmant, dabei im Wortsinn viel-sagend…
Dvoraks berühmtes Rondo g-Moll op. 94 ist weit mehr als der vertraute Gassenhauer, wenn man jede Wiederkehr des Thema so erfindungsreich variiert wie Clemens Hagen, und wenn ein Pianist es wie Gerstein veresteht, dazu jeweils das rechte, gustiöse Chroma beizutragen. So viel Mutterwitz, und so viel Delikatesse zugleich. Und dann erst der Elfenspuk am Ende! Nach der Pause folgten Beethovens Variationen über "Bei Männern, welche Liebe fühlen" und die Sonate F-Dur op. 99 von Johannes Brahms.