Neue Musik … aber echte!
HINTERGRUND / PRIMA LA MUSICA
19/12/13 Was genau ist „Musik unserer Zeit“ – und wie sollte Musik überhaupt aussehen, mit denen junge Leute zu den Wettbewerben „Prima la Musica“ fahren? Ein Passus in der Ausschreibung für den Jugendmusikwettbewerb lässt Musikpädagogen und Künstler die Stirn runzeln.
Von Reinhard Kriechbaum
Gut und wichtig, dass man nicht mit Mozart allein über die Runden kommt, dass eine Antenne auf das Hier und Jetzt gerichtet sein muss und fürs Vorspiel im Wettbewerb auch ein solches Werk vorzubereiten ist. „Das Werk aus der Musik unserer Zeit muss im Zeitrahmen der letzten 30 Jahre komponiert worden sein“, das würden wohl alle unterstreichen. Der Satz in der Ausschreibung geht aber weiter. Dieses zeitgenössische Werk müsse „eine charakteristische Tonsprache, in deutlicher Abgrenzung zur Musik des 19. Jahrhunderts, zu Jazz, Pop, Rock, und zur Folklore“ haben.
Genau da haken die Kritiker der Ausschreibung ein. „Man wähnt sich in andere Zeiten zurückversetzt: 13 Jahre nach Beginn des 21. Jahrhunderts verbieten Ausschreibungskriterien eines Wettbewerbes in der Kategorie ‚Werk aus der Musik unserer Zeit‘ explizit Jazz, Rock, Pop und Folklore“ kritisiert der Dirigent, Komponist, Musiker Christian Muthspiel auf einer Website. Man sammelt dort Unterschriften gegen diesen fatalen Passus, der eine fast schon überwunden geglaubte Trennlinie zwischen U- und E-Musik heraufbeschwört. „Eine dermaßen einengende, ideologisch äußerst bedenkliche und durch nichts als vielleicht die befürchtete Unfähigkeit der Jurymitglieder, Werke der verbotenen Kategorien beurteilen zu können, zu rechtfertigende Beschränkung ist auf das Schärfste abzulehnen“, so Christian Muthspiel. „Im internationalen Konzertbetrieb weichen die strikten Genregrenzen an vielen großen und kleinen Häusern lustvoll programmierten und stilistisch offenen Programmen, viele ‚klassische‘ Solistinnen und Solisten beschäftigen sich ernsthaft mit musikalischen Erfindungen der im Wettbewerb verbotenen ästhetischen Welten, aber in Österreich versucht man, jungen Menschen ganz klar den Unwert nicht-klassischer Musik vor Augen zu führen.“
Auch Christian Glanz von Universität für Musik und darstellende Kunst Wien ist es „vollkommen unverständlich, dass insbesondere die stilistische Vielfalt des Jazz nunmehr scheinbar ganz bewusst von ‚Prima La Musica‘ ausgeschlossen“ werde. „Als Mitglied des Instituts für Analyse, Theorie und Geschichte der Musik an der Wiener Musikuniversität und als ausübender Musiker bemühe ich mich seit einigen Jahren nachdrücklich darum, dort, wo es sinnvoll und notwendig ist, die traditionellen Schranken zwischen den musikalischen Stilen abzubauen.“ Außerdem sollte hinlänglich bekannt sein, dass der Jazz seit vielen Jahrzehnten entscheidende Impulse für die Weiterentwicklung der zeitgenössischen Musik gegeben hat.
Die Initiatoren der Unterschriftenliste argumentieren nicht zuletzt mit der Vorbildwirkung: Die Ausschreibung von ‚Musik der Jugend‘ erreiche sämtliche Musikschulen in Österreich und richte sich an Kinder und Jugendliche aller Lernstufen. Der Bewerb sei ein wesentlicher Lernanreiz für junge Menschen und somit ein Teilbereich der österreichischen Musikausbildung. „Musikhistorisch durchgängig belegt stand Musik der europäisch klassischen Tradition stets in Wechselwirkung mit der Folklore unterschiedlicher Kulturen und seit dem 20. Jahrhundert auch mit Jazz sowie vielen Formen populärer Musik. In Ihrer Forderung nach deutlicher Abgrenzung zu Jazz, Pop- und Rockmusik sowie zur Folklore drückt sich eine uns völlig unverständliche Ignoranz gegenüber aktuellem, kreativem Musikschaffen aus, die wir nicht hinnehmen können.“
„Die Eingrenzung der Kategorie ‚zeitgenössische Musik‘ auf den schmalen Bereich der abendländischen Avantgarde-E-Musik ist nichts weniger als absurd und trägt den wahren Verhältnissen und Interessen der Jugendlichen nicht Rechnung“, so der Pianist und Komponist Paul Gulda.