In memoriam
BACHGESELLSCHAFT / DOROTHEE OBERLINGER
15/10/13 Die Zusammenarbeit der Salzburger Bachgesellschaft mit dem Institut für Alte Musik der Universität Mozarteum trägt Früchte: Zur sonntäglichen „Abendmusik“ (13.10.) in der Müllner Kirche hörte man drei Kantaten des Thomaskantors.
Von Horst Reischenböck
Rektor Reinhart von Gutzeit erinnerte an den im Sommer in seiner Wahlheimat Salzburg verstorbenen Mäzen Donald Kahn, der sich auch für die Johann-von-Mierka-Orgel der Pfarrkirche Mülln engagierte. Michaela Aigner spielte auf dem Instrument aus dem von Johann Sebastian Bach mutmaßlich für seinen Sohn Wilhelm Friedemann in Köthen konzipierten Orgel-Büchlein „Worinne einem anfahenden Organisten Anleitung gegeben wird, auff allerhand Arth einen Choral durchzuführen …“. Mit zart schwebendem Nachklang „Wenn wir in höchsten Nöten sein“ BWV 641 und, voll auftrumpfend im Pleno, „In dir ist Freude“ BWV 615.
Das war eine passende Überleitung zur in Weimar entstandenen Kantate Nr. 182 „Himmelskönig sei willkommen“, in der sich die Barockklänge des Instrumentalensembles des Instituts für Alte Musik perfekt mit Mitgliedern des von Albert Hartinger einstudierten Vokalensembles der Universität Mozarteum und des Collegium Vokale mischten. Aus letzterem rekrutierten sich auch die Gesangssolisten: Schlank und auch späterhin präzise in Wort Matthias Winckhler (Bass), fast linear keusch demgegenüber verinnerlicht die Altistin Kathrin Heles, die nur später im Choral ihrem Kollegen unterlag. Und, voll auftrumpfend im Kontrast, entsprechend dem dramatischen Ausruf „Kreuzige!“, der Tenor Virgil Hartinger.
Die engagierte Leiterin war Dorothee Oberlinger, die erst jüngst für ihre „Flauto Veneziano“-CD als Konzerteinspielung des Jahres mit dem „Echo Klassik“ Preis ausgezeichnet wurde. Da war’s vielleicht auch just ihre Absicht, dass alle drei Kantaten an diesem Abend von der Flût à bec, also vom Klang der von Oberlingers Studentinnen allein oder paarweise geblasen Blockflöten, bestimmt waren: gleich in der einleitenden Sonata, besonders aber dann mit den Oboen alternierend im eröffnenden Chor „Brich dem Hungrigen dein Brot“ KV 39.
Es gibt da übrigens einen Lokalbezug insofern, als Bach diese Kantate mutmaßlich für den Gottesdienst am 15. Juni 1732 in der Nicolai-Kirche zum Empfang der aus Salzburg emigrierten Protestanten schuf, deren Dokumente im Leipziger Rathaus liegen. Dass es darin auch um „Gottesgabe“ geht, verströmte darin engelsgleich Marcia Saschas Sopran in ihrem Solo.
Als Ausklang, damit den Bogen zum „Memoriam“ schließend, hörte man die Kantate „Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit“, die auch als „Actus tragicus“ BWV 106 bekannt ist. Sie ist möglicherweise bereits 1707 zum Begräbnis eines Verwandten entstanden, als Bach Arnstadt in Richtung Mühlhausen und anschließend Weimar verließ. Jedenfalls ist das Stück Beleg, wie Bach damals mit der Kantatenform experimentierte: Er verzichtete für den „Actus tragicus“ auf Violinen, wählte dafür die dunkle Färbung durch ein Viola da Gamba-Duo. Der „Coro“ inmitten ist hier dem Solistenquartett allein anvertraut, das nebst allen anderen Ausführenden lebhaft bedankt wurde.