Mangelnde Begabung zur Zufriedenheit
PETER LANG / BEETHOVEN-ZYKLUS / EHRUNG
15/05/13 „Wenn man Stücke immer wieder spielt, sind diese Wiederholungen keine Routine, sondern Versuche, dem Eigentlichen noch näher zu kommen“, sagt Peter Lang. Der Pianist und Pädagoge hat am Mittwoch (15.5.) seinen Zyklus der 32 Beethoven-Sonaten im Solitär abgeschlossen - und wurde mit der selten vergebenen Ehrenmitgliedschaft der Universität Mozarteum ausgezeichnet.
Von Heidemarie Klabacher
In acht Konzerten seit Jänner 2012 hat Peter Lang alle 32 Klaviersonaten von Ludwig van Beethoven gespielt. Nicht wenige Menschen haben alle acht Konzerte besucht – und mit Peter Lang einen Blick in die vielschichtigen Tiefen dieser Werke tun können.
Er habe größte Ehrfurcht vor dem „Massiv dieser 32 Sonaten“ und wollte ihnen durch die zyklische Aufführung noch näher kommen. Nicht nur als Künstler, sondern auch in Hinblick auf das Publikum, die Kollegen und die Schüler. Tatsächlich sei sein Beethoven-Unterricht heute „unvergleichlich viel besser, als vor zwei Jahren“. Das habe ihm Peter Lang erzählt, sagte Rektor Reinhart von Gutzeit in seiner Laudatio auf den 1946 geborenen Pianisten und Pädagogen. „Keineswegs taktvoll verschweigen“ wollte Gutzeit auch Langs Antwort auf die „vorsichtige Frage“ nach dem Honorar: „Dies sei Teil seines Amtes als Universitätsprofessor und damit abgegolten.“
Seit 35 Jahren ist Peter Lang als Lehrender (und zuvor als Student) der Universität Mozarteum eng verbunden: Als Ordinarius für das Konzertfach Klavier seit 1978. Als „widerstandsfähiger“ Vorstand der Abteilung für Tasteninstrumente von 1979 bis 2002. Als Gründer und Leiter der interdisziplinären „Musikalischen Akademien“, in denen seinerzeit erstmals Studierende und Lehrende gemeinsam auftraten. Oder als Leiter der Internationalen Sommerakademie Mozarteum von 1988 bis 1991. Selbst administrative Aufgaben habe er mit Kreativität und Leidenschaft erfüllt, betonte Rektor von Gutzeit. Zudem sei Peter Lang seit jeher ein wenig das „unbequeme Gewissen“ des Mozarteums: Er mahne immer wieder, sich angesichts von Verwaltungs-, Geld- oder Machtfragen, auf das Eigentliche – die Kunst – zu besinnen. „Peter Lang hat dem pianistischen Leben des Hauses eine Richtung gegeben.“
Mit dem Beethoven-Zyklus hat Peter Lang sich einmal mehr als Vertreter einer Richtung ausgewiesen, die im oft grelle Blüten treibenden Kunstbetrieb nicht allzu oft eingeschlagen wird: die Richtung jener Künstler, die sich als Person zurücknehmen und ganz in den Dienst des Werkes stellen, das es gerade zu spielen gilt.
Beim letzten Konzert im achtteiligen Beethoven-Zyklus waren das die Sonaten Nr. 16 G-Dur op. 31/1, die nur zweisätzige „kleine“ Sonate Nr. 19 g-Moll op. 49/1, die von Beethoven selbst als „Sonatine Facile“ bezeichnete Sonate Nr. 25 G-Dur op. 79 und – als abschließender Höhepunkt des Abends und des Zyklus – die legendäre Sonate Nr. 32 c-Moll op. 111.
Einmal mehr faszinierte in den Interpretationen von Peter Lang die feine Balance zwischen vorwärts drängendem virtuosem Impetus und plastischer Gestaltung. So ließ er etwa den Beginn des Adagios von op. 31 heiter und unbeschwert und fast ein wenig naiv über den Albertibässen daherträllern – aber nur bis zum ersten geheimnisvollen Grollen in der Tiefe. Danach baute er packende Spannung auf, in dem er die unzähligen Wechsel zwischen Heiterkeit und Nachdenklichkeit mit größtem Klangfarbenreichtum nachzeichnete. Das Rondo Allegro durfte hurtig fließen und plätschern – aber immer nur so schnell, dass jeder Ton quasi Luft zum Atmen und Raum zur Entfaltung bekam. Die wilden Unisono-Kaskaden im ersten Satz brachen sich alsbald an der Gegenkraft feinster perlender Läufe.
Auch die scheinbar so disparaten Einzelelemente im ersten Satz von op. 79 – Genreszenen zwischen Bauerntanz und Kuckucksruf (so eine Art Vor-Alpensymphonie) hat Lang mit ironischer Eleganz zur einem buntfärbigen, aber in sich geschlossenen Miniatur gefasst. Das Andante erinnerte an das Abendlied eines Schubert’schen Einsamen. Duftig und mit einem ironischen Zwinkern verklang das virtuose Vivace. Peter Langs Schluss-Tönen bzw. -Akkorden müsste man überhaupt gesondert Augenmerk widmen: Heiter, ironisch-witzig oder durchaus auch einmal nachdenklich lässt er sie wie bunte Bälle oder sprühende Funken oder stichelige Fragezeichen in den Raum tanzen. In ihnen scheint auf den Punkt zu kommen, was Rektor von Gutzeit vermutlich meinte, wenn er von Peter Langs „Unruhe des Geistes, ständiger Suche und mangelnden Begabung zur Zufriedenheit“ sprach.
„Mache dich nicht kleiner als du bist. So groß bist du nicht.“ Das habe, erzählte Peter Lang in seiner Antwort auf die Laudatio des Rektors, einst der legendäre Herbert Scherchen zu ihm gesagt, als er als junger Student nach seinem ersten Mozart-Konzert meinte, die eigene Leistung kritisch zerpflücken zu müssen. Seither habe er viel über die Relativität von Bescheidenheit und Überheblichkeit nachgedacht, und beschlossen, sich über die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft einfach von Herzen zu freuen. Alle, wirklich alle, freuten und freuen sich mit ihm.
Bild: UniMoz